Vesterålen, Perlen des Nordens
Die Inselgruppe bietet nicht nur im Sommer Natur pur. Der Golfstrom beschert auch in der kälteren Jahreszeit ein mildes Klima.
Vesterålen. Es riecht nach Benzin, Diesel und Fisch. Das nächste Boot legt an — offensichtlicher Ausnahmezustand an diesem späten Nachmittag in einem der vielen Häfen der Vesterålen. Die Inselgruppe steht Kopf. Das glauben zumindest die Touristen. Tatsächlich wiederholt es sich Jahr für Jahr. Die Menschen sind eins mit der Natur. Von Januar bis Ende März mehr denn je. Der arktische Dorsch ist da. Er kommt aus den Gewässern um Grönland zum Laichen. Und drei Monate lang bestimmt der „Torsk“ fast alles.
Knut Armsen lacht. Sein Gesicht hat tiefe Furchen. „Ein guter Fang war das wieder. Aber morgen bleiben wir im Hafen. Sonntags wird nicht gefischt.“ Der 62-Jährige ist sichtlich zufrieden. „Der Dorsch ist unser Leben. Natürlich gibt es da noch mehr. Elche beobachten, mit Touristen zu den Walen fahren, Angeltouren. Aber das hier sind gerade wir.“ Er zeigt auf die große Box voller Fische, die hochgehievt wird.
Vesterålen: Der Name stammt aus dem Altnordischen, und bedeutet so viel wie „Streifen im Westen“ — und das über dem Polarkreis. Ein Stück weiter südlich, in der klaren Luft herrlich zu sehen, liegen die wesentlich bekannteren Lofoten. „Aber wir brauchen uns hier nicht zu verstecken. Hier ist es schön“, sagt Knut Armsen. Der Lokalpatriot in ihm kommt durch.
Es stimmt. Diese Landschaft braucht sich nicht zu verstecken. Dank des Golfstroms ist das Klima auch im Winter relativ mild. Die Entfernung zwischen dem nördlichsten Punkt, Andenes, und dem südlichsten Ort, Melbu, beträgt 150 Kilometer. Fjorde und Nordmeer, aber auch beeindruckende Bergketten und Menschen, geradeheraus und echt — das sind die Vesterålen.
Diese Inselkette ist auch im Winter eine Reise wert. Es ist schon ein Erlebnis, Elche zu beobachten, die scheinbar verträumt in der verschneiten Landschaft an einem Baum lehnen. In unmittelbarer Nähe kreist ein Seeadler über dem Fjord. Bald wird der Schnee weichen und die Insel ein ganz anderes Bild zeigen. Dann kommt das kräftige Grün. Die nordische Luft beginnt zu summen.
Doch noch regiert ein anderes Grün: Das Polarlicht! Es ist ein unglaubliches Erlebnis. „Du könntest ja denken, dass es Dich beim 100. Mal nicht mehr bewegt. Aber das stimmt nicht. Gerade dann, wenn wir da draußen sind, ist das noch mal etwas ganz Besonderes“, sagt Knut Armsen und schaut hinaus: „Das ist wie ein Stück Herz von Dir.“
Und immer wieder Licht: Wenn das Polarlicht geht, die Tage wieder heller werden, dann kommt allmählich die Mitternachtssonne. Das Licht des Tages will nicht enden. Das ist die Zeit, in der Knut Armsen bis in den späten, hellen Abend oft mit Freunden draußen sitzt und erzählt.
Für einen Norweger ist es in diesen Monaten nicht ungewöhnlich, auch noch in der Nacht einen Kaffee zu trinken. „Dunkel wird es noch früh genug wieder. Wir nutzen diese Zeit“, beschreibt es Knut Armsen.
Jetzt trinkt er Bier und lacht: „Das ist bei Euch viel billiger, oder?“ Ja — allerdings: In Norwegen kostet ein Bier (0,5 Liter) durchschnittlich 70 Kronen (zehn Euro). Für ein Glas Weißwein können es auch gerne zwölf Euro sein. Allerdings ist der Durchschnittslohn auch wesentlich höher als in Deutschland. „Aber ich muss trotzdem mal zu Euch. Euer Land klingt hektisch-verrückt. So zwei Wochen könnte ich das ertragen.“ Dann schaut Knut Armsen wieder auf das Nordmeer. Bald geht es wieder raus — raus zum Dorsch.