Wandern in Korea: Auf einsamen Pfaden über den Seoraksan
Sokcho (dpa/tmn) - Seoraksan ist der Nationalpark, in dem die Koreaner besonders gerne wandern gehen. Das Gebirge besteht aus zackigen Felsen, Bächen und Wasserfällen. Vertrautes Alpen-Feeling will aber nicht so recht aufkommen.
Dafür ist diese Welt zu fremd.
Unzugänglich wirkt das Taebaek-Gebirge auf den Besucher aus Europa. Nebel hüllt die Gipfel ein, Kiefern krallen sich in den Fels. Zum Glück sind hier am Eingang zum Nationalpark Seoraksan im Osten Koreas überall die Insignien des modernen Wanderers zu erkennen: Stiefel mit Profilsohle und bunte Funktionsjacken. Auch dank der zahlreichen Wegtafeln kommt man sich nicht mehr so verloren vor.
Als gerade heimatliche Alpenromantik aufkommen will, passiert der Wanderer eine Ansammlung von Fressbuden und Souvenirläden. „Have a nice day“ in Neonschrift, vergilbte Gemälde. 100 Meter weiter sitzt ein 16 Meter hoher Buddha aus Bronze auf einem Lotusthron. In seinem hohlen Bauch befinden sich drei heilige Reliquien.
Etwas weiter steht ein buddhistisches Gotteshaus, der Tempel des Göttlichen Gedeihens. Er wurde im siebten Jahrhundert von einem Mönch gegründet und mehrfach wieder aufgebaut. Bewacht wird er von Kriegerstatuen, den vier himmlischen Königen. Der Besucher hängt seine Gebete an kleine Lampen, die den Tempel abends pink erleuchten. Ein Licht zwischen Kitsch und Mystik.
„Das Zusammenspiel aus Fels und Wasser macht den Park besonders“, sagt Charlie Kwak. Der 56-Jährige ist Manager des einzigen Hotels im Park. „Viele koreanische Maler kommen hierher und zeichnen die Landschaft.“ Im Herbst, wenn der Wechsel der Jahreszeiten die Blätter färbt, treten sich die Besucher auf den penibel ausgeschilderten Pfaden auf die Füße. „Dann kommen 20 000 Besucher pro Tag, alles staut sich vor dem Park.“
Kwak spricht von der Pali-Pali-Kultur. Der Begriff bedeutet so viel wie „Beeilung“ oder „Schneller“. Die Koreaner wollen rasch zu einem der Panorama-Schauplätze, Fotos machen und wieder abreisen. Die Seilbahn auf den Daecheong, den höchsten Berg, wurde nicht gebaut - zum Glück, findet Kwak: „Sonst kämen noch mehr Touristen.“
Wer im Sommer nach Seoraksan kommt, steigt über steile Pfade aus den Tälern auf und läuft stundenlang einsam über die schroffen Höhenzüge. Zieht Nebel auf, liegt eine melancholische Einsamkeit über dem Gebirge, die bald auf das Gemüt schlägt. So besucht der Reisende eine der wenigen bewirtschafteten Hütten des Nationalparks und hofft auf eine heimelige Gaststube.
Endlich angekommen, taucht hinter einem Schiebefenster ein Gesicht auf. Der Gast fragt: Haben Sie einen Schlafplatz für die Nacht? Untröstliche Augen. Aber ist die Hütte denn voll? Ein Schweigen, das wohl „Nein“ bedeutet. Unschlüssigkeit. Gibt es etwas zu essen? Der Mann reicht eine Tütensuppe. Der Reisende hat keinen Gaskocher dabei und steigt ab ins Tal. Eine vertraute Sehnsucht nach den Bergen hat ihn nach Seoraksan gelockt - es bleibt eine fremde Welt.