Wie Lawrence von Arabien: Durch das Wadi Rum in Jordanien

Wadi Rum (dpa/tmn) - Wind und Wasser haben im Süden Jordaniens eine der eindrucksvollsten Wüsten der Erde geschaffen. Einst führte hier Lawrence von Arabien den Aufstand gegen die Türken an. Heute erkunden ihn Touristen in Massen - doch es gibt auch stille Flecken.

„Ahlan Wa Sahlan“, heißt Hussam Al-Zawaideh die Besucher willkommen (übersetzt: „als Angehörige und nicht als Fremde seid ihr gekommen und leicht sollt ihr es haben“). Vor dem Besucherzentrum wimmelt es nur so von ausländischen Touristen, Reiseführern, Kameltreibern und Souvenir-Verkäufern. Das Wadi Rum bildet zusammen mit der Felsenstadt Petra und dem nahen Küstenstädtchen Aqaba am Roten Meer das Goldene Dreieck im Süden Jordaniens. Entsprechend groß ist der Rummel.

Bis zu zehn Reisebusse warten darauf, ihre Gäste aus Japan und den USA in einer dreistündigen Rundfahrt zu den bekanntesten Orten des Wadi Rum zu fahren. Meist haben die Urlauber nur ein paar Sekunden Zeit, um ihr Erinnerungsfoto zu schießen. So haben wir uns nicht den Besuch in jener Wüste vorgestellt, die Lawrence von Arabien (1888-1935) in seinen Tagebüchern als „weitläufig, einsam und gottähnlich“ beschrieben hatte. Hussam bemerkt die Enttäuschung: „Keine Sorge. Der Spuk hier ist gleich vorbei. Die Busse fahren nur wenige Orte an und sind in ein paar Stunden wieder aus dem Wadi Rum verschwunden.“

Mit seinem offenen Jeep schlägt er eine andere Richtung als die Schar der Busse ein. Mit jedem Kilometer, den es weiter in das Wüstental hineingeht, wird es einsamer und die Landschaft eindrucksvoller. Meterhohe, ungewöhnlich geformte Sandsteinberge, rostrote Sanddünen, schwarze Granitfelsen und zerklüftete Felsschluchten erinnern an eine Kraterlandschaft. Nicht umsonst wird das Wadi Rum auch Tal des Mondes genannt.

Nach einer Weile hält Hussam den Geländewagen auf einer Anhöhe an. Er steigt aus, sammelt einige Sträucher, gräbt eine kleine Kuhle in den Sand, legt die Büsche hinein, zündelt sie an und setzt schließlich in einer alten schwarzen Teekanne Wasser auf.

Wie in einer Zeremonie gießt er den stark gesüßten heißen Tee immer wieder von der Kanne in die Tasse und zurück. Der Beduine beginnt zu erzählen - natürlich vom britischen Leutnant Thomas Edward Lawrence, besser bekannt als Lawrence von Arabien. Ohne ihn wäre das Wadi Rum vielleicht niemals so bekannt geworden.

Viele Geschichten und Legenden umgeben sein abenteuerliches Leben unter den Beduinen. Doch waren es erst seine Tagebücher, die später als Bestseller „Die sieben Säulen der Weisheit“ nicht nur ihn, sondern auch das Wadi Rum bekannt machten. Zu regelrechtem Weltruhm kamen seine Guerillakämpfe, als an den Originalschauplätzen im Wadi Rum der Hollywood-Wüstenepos „Lawrence von Arabien“ mit Peter O'Toole, Alec Guinness, Anthony Quinn und Omar Sharif gedreht wurde, der 1963 sieben Oscars erhielt.

Hussam löscht das Feuer, packt die Teekanne wieder in den Jeep und fährt zu jenen Originalschauplätzen. Es geht zu der Quelle, an der sich Lawrence und seine Beduinen mit Wasser versorgten und an der heute noch die Reste einer nabatäischen Wasserleitung zu sehen sind. Immer wieder sind Tempelanlagen und Felszeichnungen der alten Nabatäer zu sehen, viele von ihnen bis zu 4000 Jahre alt.

Langsam geht die Sonne unter. Hussam, seine Frau und ein paar andere Familienmitglieder sitzen bereits am Lagerfeuer. Es riecht nach gebratenem Lammfleisch, Reis und Gemüse. Bis tief in die Nacht wird auf orientalischen Teppichen vor dem Feuer süßer Tee getrunken und Wasserpfeife geraucht. Dazu erzählt Hussam spannende Geschichten über das Leben in der Wüste. Ein gewaltiges Sternenzelt hat sich ausgebreitet.

Das Blubbern der Wasserpfeifen schläfert ein. Doch plötzlich lässt ein unheimliches Geräusch aufhorchen. Das Gegröle ist viel lauter und furchterregender als das Jaulen der Wildhunde, die schon seit Stunden um das Lager kreisen. „Beruhigt Euch. Das ist mein Vetter Amjad. Er hat eine Überraschung“, sagt Hussam. In der Dunkelheit steht Amjad mit zwei röhrenden Kamelen an der Leine und lässt die Besucher zu einem nächtlichen Ausritt aufsteigen.

Die Augen müssen sich nicht lange an die Dunkelheit gewöhnen. Es ist Vollmond, und die Landschaft strahlt förmlich im Licht des Mondes. Die Atmosphäre könnte spannender, abenteuerlicher und romantischer kaum sein.

Auf dem Rücken der Kamele lässt sich nun endgültig nachvollziehen, was Lawrence von Arabien mit „weitläufig, einsam und gottähnlich“ meinte, als er diese atemberaubende Wüstenlandschaft aus 1001 Nacht beschrieb.