Zug um Zug: Bahnerlebnisreisen sind etwas für Entdecker
Berlin (dpa/tmn) - Glacier-Express, Transsib oder Orient-Express: Bahnerlebnisreisen sind beliebter denn je. Dennoch bleiben sie ein Nischenprodukt - was vor allem am Preis liegt.
Es gibt einen typischen Fehler, den Anfänger auf einer Bahnerlebnisreise machen: „Sie denken, jetzt komme ich endlich mal dazu, in Ruhe ein paar Bücher zu lesen“, sagt Thorsten Haferkamp, Geschäftsführer von Lernidee Erlebnisreisen. „Doch fürs Lesen bleibt selten Zeit.“ Viel zu spektakulär sei die Landschaft, viel zu interessant seien die Gespräche, viel zu gut das Essen.
„Klassiker ist der Glacier-Express in der Schweiz“, erklärt Kai de Graaff, Geschäftsführer von Ameropa. Dann sind da Züge, bei denen schon die Erwähnung des Namens Träume auslöst: Orient-Express, Zarengold, in Kanada der Rocky Mountaineer, in Südafrika der Rovos Rail, in Australien The Ghan. „Am beliebtesten ist bei uns nach wie vor die Transsibirische Eisenbahn“, ergänzt Haferkamp. „Das ist einfach ein Mythos.“ Daneben gibt es auch viele unbekannte Strecken. Bei Ameropa gut gebucht werden etwa Strecken in Spanien, wie der Tren Al-Andaluz. Lernidee bietet zum Beispiel Zugreisen im Salonwagen durch die Slowakei oder Wales an.
Genaue Zahlen, wie viele Deutsche ihren Urlaub auf der Schiene verbringen, gibt es nicht. Klar ist jedoch: „Bahnerlebnisreisen sind nach wie vor eine Nische“, sagt Sibylle Zeuch vom Deutschen Reiseverband (DRV). Das Interesse an Bahnreisen wächst aber, hat Haferkamp beobachtet. Auch bei Ameropa gibt es einen 20-prozentigen Zuwachs bei den aktuellen Buchungen. Dertour verzeichnet große Zuwächse beim Sonderzug Zarengold, auch Klassiker wie Eastern & Oriental Express, Rovos Rail oder Ghan liefen sehr gut.
Ein Massenprodukt werden Bahnreisen aber wohl auch in Zukunft nicht werden. Da steht schon der meist doch recht hohe Reisepreis im Weg. „Unsere teuerste Reise im Programm kostet 22 000 Euro“, erklärt de Graaff von Ameropa. Dafür reist der Urlauber 22 Tage im Zarengold. Es geht zwar auch billiger, zum Beispiel zehn Tage durch Anatolien für rund 2000 Euro. Doch mit dem Preis für einen normalen Urlaub ist das noch lange nicht zu vergleichen.
Das Alter der Reisenden ist relativ hoch. „50 bis 60 plus“, erklärt Maren Vollert von Meier's Weltreisen, seien zum Beispiel die Passagiere des Rocky Mountaineers. Auf 45 bis 55 Jahre schätzt Haferkampf das Durchschnittsalter der Lernidee-Reisenden, beim Glacier-Express wahrscheinlich sogar über 80. „Je mehr es ein Hotelzug ist, desto älter, je abenteuerlicher und einfacher der Zug, desto jünger“, laute die Faustregel.
Doch was sind das für Leute, die eine Zugreise unternehmen? „Bei den meisten ist es natürlich so eine Geschichte Einmal-im-Leben“, sagt Haferkamp. Der typische Reisende sei der Entdecker, der die Welt nicht mit Auto oder Bus bereisen will. Oft haben die Passagiere die Länder zuvor schon auf anderen Wegen bereist. „Niemand fährt im Rovos Rail, wenn er nicht schon vorher mal in Afrika war“, erklärt de Graaff. „Die Passagiere wollen einfach das Land von einer anderen Seite sehen, alles eine Spur authentischer erleben.“