EuGH zu Aschenwolke: Ryanair musste Passagiere betreuen
Luxemburg(dpa) - Flugunternehmen müssen gestrandete Passagiere zum Beispiel bei Vulkanausbrüchen betreuen. Das hat das oberste EU-Gericht entschieden. Doch immer wieder gibt es Streit um die Regeln. Die EU-Kommission will demnächst eine überarbeitete Version vorschlagen.
Flugunternehmen müssen sich auch bei Verspätungen durch Vulkanausbrüche um gestrandete Reisende kümmern. Das entschied das höchste EU-Gericht in Luxemburg am Donnerstag (31. Januar). Im konkreten Fall klagte eine Frau, die wegen des Ausbruchs des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull im Frühjahr 2010 erst mit einer Woche Verspätung nach Irland zurückfliegen konnte. Ryanair hatte sie in dieser Zeit nicht betreut.
Die Richter des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) stellten klar: Die Flugunternehmen haben bei solchen „außergewöhnlichen Umständen“ eine Betreuungspflicht (Rechtssache C-12/11). Sie müssen gratis Unterbringung, Nahrung, Kommunikationsmöglichkeiten und Transport bereitstellen. So sieht es europäisches Recht vor. Die Schließung des europäischen Luftraums nach dem Ausbruch des Eyjafjallajökull stelle einen „außergewöhnlichen Umstand“ dar, befanden die Richter.
Eine Zeit- oder Kostengrenze für die Betreuung ihrer Passagiere gibt es für die Flugunternehmen laut EuGH in solchen Fällen nicht. Gerade wenn Menschen länger am Reiseort ausharren müssen, befänden sie sich in einer besonders unangenehmen Lage. Die Kosten für die Betreuung könnten die Airlines einkalkulieren, urteilten die Richter. Sie ließen sich beispielsweise im Nachhinein auf die Flugpreise umlegen.
Wenn betroffene Passagiere selbst Geld vorgestreckt haben, können sie ihre Auslagen vom Anbieter zurückverlangen. Dafür gibt es jedoch Grenzen: Die Ausgaben müssen notwendig, angemessen und zumutbar gewesen sein. Was das im Einzelfall bedeutet, müssten nationale Gerichte klären, so der EuGH. Zudem seien diese Kosten nicht mit einer Entschädigung zu verwechseln. Darauf haben Reisende nur Anspruch, wenn Verzögerung oder Ausfall organisatorische Gründe haben.
Differenzen zwischen Passagieren und Fluglinien über Rechte und Pflichten sind kein Einzelfall, bestätigte John Phelan von der europäischen Verbraucherorganisation Beuc in Brüssel: „Wir haben zunehmend Hinweise auf Fluglinien, die ihre Verpflichtungen gegenüber Passagieren missachten.“ Die geltenden Passagierrechte seien gut, es hapere jedoch bei der Durchsetzung.
Klarere Vorgaben für die Fluglinien könnte die Neufassung des zugrundeliegenden EU-Gesetzes aus dem Jahr 2006 bringen. Wohl noch vor Ostern will EU-Verkehrskommissar Siim Kallas eine überarbeite Version vorlegen. Diese solle zum Beispiel deutlicher machen, ab wann die Unternehmen festsitzenden Passagieren Nahrung oder Getränke zahlen müssen, erklärte ein Mitarbeiter der EU-Kommission. Die europäischen Staaten und das Europaparlament beraten dann über die Vorschläge.
Die Frau, deren Fall das Urteil des EuGH auslöste, hat Ryanair vor einem irischen Gericht auf die Erstattung von fast 1130 Euro verklagt. Die dortigen Richter müssen entscheiden. Sie hatten ihre Kollegen beim EuGH aber um Hilfe bei der Auslegung des EU-Rechts gebeten.
Als der Eyjafjallajökull auf Island im März 2010 nach fast 200 Jahren Ruhe ausbrach, legten seine Aschewolken weite Teile des europäischen Flugverkehrs lahm. Hunderttausende Menschen saßen fest. Über vorliegende Klagen von Betroffenen liegen der EU-Kommission nach eigenen Angaben keine Zahlen vor. Airline-Verbände wollten sich nicht äußern.