Austern und Strandkörbe Auf Sylt erwacht der Frühling
Sylt (dpa/tmn) - Wenn die Austernfischer in der Blidselbucht vor List zugange sind, naht der Frühling. Anfang März bringen sie die Austern aus dem Winterquartier in die Nordsee zurück. „Wir müssen das Eis umgehen, das macht alles kaputt“, sagt Christoffer Bohlig, 38.
Er wollte eigentlich Meeresbiologe werden, jetzt ist er Betriebsleiter bei Dittmeyers's Austern Compagnie in List im Norden der Insel. Auf Metalltischen breiten die drei die Netztaschen aus, Poches genannt. 200 bis 300 Austern passen hinein. Mit zwei Mitarbeitern watet Bohlig durchs Watt. Heute ist ein guter Tag, wenig Wind, das Meer bleibt weit zurück. Bis Ende Mai will Bohlig mit der Arbeit fertig sein.
Die Blidselbucht ist Sperrgebiet, allein darf man sie eigentlich nicht betreten. Beim Watt sieht das anders aus. Doch bei einer geführten Wanderung lässt sich mehr entdecken. Mit Gummistiefeln stapft Matthias Strasser, Leiter des Erlebniszentrums, voraus. Zwischen den Sandkothaufen des Wattwurms zeigt der Biologe auf braune geleeartige Beeren. Hier hat der Kiemenringelwurm gelaicht. Strasser gräbt das Tier aus. Klein, dünn, rötlich - ein Frühlingsbote. Spätestens Ende April ist das Watt dann übersät mit den Eiern des grünen Blattwurms.
Noch steckt der Frühling in den Kinderschuhen. Bereits auffällig sind die Osterglocken, Krokusse und Narzissen auf den Steinwällen in Keitum. Langsam wagen sich auch die ersten Kräuter aus der Erde. Sternekoch Johannes King hockt im Garten seines Hofes in Morsum und pflückt Gundermann. „Früher hat man gesagt, man hat Unkraut, heute hat man Wildkräuter“, sagt er. Das Kochen mit den Jahreszeiten ist Kings Markenzeichen. Der Gastronom reißt etwas Bronzefenchel ab und beißt darauf. Ein leichter Lakritzgeschmack. Am Abend wird er im Sterne-prämierten „Söl'ring Hof“ in Rantum mit Forelle und Birne eine delikate Verbindung eingehen.
Ostern und Lamm, auch das gehört zusammen - kulinarisch und auf dem Deich. Kai und John Petersen aus Keitum gehören zu den größten Schafzüchtern der Insel. 200 Mutterschafe besitzen Vater und Sohn. In der Lammzeit kommen sie in den Stall, sechs Wochen unter strenger Beobachtung. Alle zweieinhalb Stunden überprüft jemand die Herde, Tag und Nacht. „Das ist anstrengend, aber man hat ja dem Schaf gegenüber eine Verpflichtung“, sagt John Petersen. Schafe, die gelammt haben, kommen in Einzelboxen, damit Mutter und Kinder Geruch und Ruf kennenlernen. Das ist wichtig, denn auf der Hausweide, dem Deich, können sie sich später nur so wiederfinden. Geschlachtet wird ab August.
Die ersten Zugvögel haben sich bereits Anfang April rund um das Rantumer Becken niedergelassen. Bis zum ganz großen Schauspiel dauert es aber noch ein bisschen. Dann vibriert die Luft, und die Wasseroberfläche ist unter Millionen Vogelleibern kaum zu erkennen. Mit den ersten warmen Tagen tauchen auch Robben und Seehunde wieder auf den Sandbänken auf. Mitsamt ihrem Nachwuchs, der in den kalten Wintermonaten das Licht der Welt erblickt hat.
Ebenfalls aus dem Winterquartier zurück: die Strandkörbe. Auf der Nordsee-Seite zwischen Westerland und Hörnum warten sie akkurat aufgereiht auf die Urlauber. Tief versunken in einem der gestreiften Windschützer tankt der Körper die ersten Strahlen der Frühlingssonne. Die genießen auch die „Sansibar“-Jünger. Schon Anfang April ist es in Deutschlands berühmtester Strandbude voll. Nur ein paar Meter weiter ist man dennoch allein am Strand. Mit einem Glas Erdbeerbowle in der Hand lässt sich hier die Ruhe vor dem Sturm genießen. Der Frühling ist da, aber die Hauptsaison noch weit weg.