Deutsch-französischer Urlaub: Die Südliche Weinstraße
Schweigen-Rechtenbach (dpa/tmn) − Langsam biegt ein weißes Bähnlein um die Ecke, als sei es aus einem Freizeitpark ausgebrochen. Es platzt mitten hinein in die Betriebsamkeit der Winzer. Gerade liefern Trecker Trauben am Weingut Friedrich Becker ab.
So sieht das jedes Jahr zur Weinlese aus.
Das putzige Grenzlandbähnchen dreht unverdrossen seine Runden vom Marktplatz im französischen Wissembourg über den Sonnenberg zum Deutschen Weintor in der südlichsten Ecke der in Schweigen-Rechtenbach und zurück. „Irgendwie spießig“, findet Winzer Werner Jülg die Touristenbahn, „aber sie gehört mittlerweile dazu und ist beliebt“. Sie ist so etwas wie ein Zeichen, dass wieder zusammengewachsen ist, was zusammengehört.
In der Feudalzeit gehörte Schweigen zum damals deutschen Weißenburg. Viele Schweigener fühlen sich heute noch eher mit Wissembourg verbunden als mit Rechtenbach, mit dem sie 1969 zum Bindestrichdorf verbunden wurden.
So viel Einigkeit war nicht immer. Das Deutsche Weintor bauten die Nazis 1936 am Rande des Pfälzerwaldes gegen Frankreich. Der trutzige Eingang der Deutschen Weinstraße sollte einen deutschen Kontrapunkt zum renommierten französischen Wein setzen. Heute kann man darüber nur schmunzeln. Der Wein, den einige Winzer in Schweigen machen, stammt nämlich vom französischen Boden, genauer vom Sonnenberg in Wissembourg. Und längst heimsen Pfälzer Riesling und Spätburgunder auch von deutschem Boden internationale Preise ein.
Heute sind die Wirtschaftswege der Winzer auf dem Sonnenberg Teil eines deutsch-französischen Wanderwegs. Während der Weinlese müssen die Wanderer schon mal einem Trecker ausweichen. Doch Wandern im Herbst lohnt sich besonders: Jetzt zeigt die Landschaft Indian-Summer-Farben.
Hier oben hat man eine herrliche Aussicht über die Rheinebene bis hin zum Schwarzwald, den Geisberg, und nach ein paar Schritten um die nächste Biegung auch auf Wissembourg mit seiner imposanten Abteikirche St. Pierre et Paul und dem schönen mittelalterlichen Kern.
Der Wanderweg führt vom Deutschen Weintor über den ersten deutschen Weinlehrpfad durch die Parzellen des Sonnenberges. Am Weg liegt auch die Paulsburg, einst ein vorgelagertes Bollwerk des Klosters von Weißenburg, heute ein privates Refugium mitten in den Reben auf deutscher Seite. Welcher Weinberg von Franzosen und welcher von Deutschen gepflegt wird? „Das kann man am Abstand der Reben erkennen“, erklärt Jülg, „wir pflanzen die Reben weiter auseinander“.
Die Wissembourger betreiben ihre Weinberge im Nebenerwerb. Der Traubensaft landet in Tausendliterfässern der Kooperative Cléebourg. Von der Lage Sonnenberg gibt es nur einen identifizierbaren französischen Wein. „Den macht mein Bruder Paul, der sich der Liebe wegen in Seebach im Elsass angesiedelt hat“, sagt Jülg.