Potsdam feiert sich als Filmstadt
Potsdam (dpa/tmn) - Potsdam feiert das „Jahr des Films“. Gründe dafür gibt es genug: Der Filmpark Babelsberg wird 20, das Filmmuseum 30 Jahre alt. Und die Anfänge der Filmindustrie liegen ein Jahrhundert zurück: 1911 wurde der Grundstein für das erste Filmstudio gelegt.
Hollywood feiert 100 Jahre Traumfabrik: 1911 eröffnete im fernen Kalifornien das erste Filmstudio. Im gleichen Jahr wurde aber auch in Babelsberg vor den Toren Berlins der Grundstein für das erste Studio gelegt. Deshalb feiert sich Potsdam in diesem Jahr als „Stadt des Films“. Jubiläen stehen auch im Filmmuseum an, das 30 Jahre alt wird, und im Filmpark, der 20. Geburtstag feiert.
Babelsberg, heute ein Stadtteil von Potsdam, war vor dem Ersten Weltkrieg ein Nest, ruhig und abgeschieden. Bei Dreharbeiten in Berlin war es zuvor mehrfach zu Bränden gekommen. „Die Studios mussten wegen der Feuergefahr raus aus der Stadt“, erzählt die Medienwissenschaftlerin Prof. Elizabeth Prommer, die das Projektbüro „Stadt des Films“ leitet. Und so fiel die Wahl auf Babelsberg. Die Filmstudios dort sind inzwischen international gefragt. Quentin Tarantino hat hier genauso gedreht wie Roman Polanski.
Der Potsdam Tourismus Service hat rechtzeitig zum „Jahr des Films“ eine neue geführte Tour unter dem Titel „Facetten einer Filmstadt“ konzipiert. Sie zeigt Besuchern unter anderem den Filmpark und die Villenkolonie Neubabelsberg, in der UFA-Stars wie Marika Rökk oder Brigitte Horney zu Hause waren.
Im Kaiserreich zog in die Villen mit Blick auf den Griebnitzsee, wer Geld hatte und große Gärten schätzte. „Künstler, Wissenschaftler, Bänker, Anwälte“, zählt Stadtführerin Norma Kühl auf. Die Architekten hatten oft freie Hand. Gustav, der Bruder des Flugpioniers Otto Lilienthal, ließ sich ein Haus bauen, das mit seinen Zinnen und Türmchen eher wie eine Burg aus einem Disney-Film wirkt und später als „Gästehaus der Ufa-Stars“ bekannt wurde. Viele Schauspieler von Hans Albers bis Heinz Rühmann haben dort gewohnt, während sie in Babelsberg drehten.
Die Schauspielerin Brigitte Horney besaß ein nicht ganz so protziges Haus am Johann-Strauß-Platz. Am schönsten aber findet Norma Kühl die Villa Sarre, die sich Friedrich Sarre, Leiter der Islamischen Sammlung im Berliner Bodemuseum, bauen ließ - inklusive einer Kopie des Löwenfrieses am Ischtar-Tor von Babylon.
Wo heute das Filmmuseum Potsdam zu Hause ist, standen erst Blumentöpfe und dann Pferde: Das barocke, 1685 erbaute Gebäude diente zunächst als Orangerie, später als Marstall für preußische Gäule. Friedrich der Große ließ es so umbauen, wie es heute aussieht. Das Filmmuseum ist seit 30 Jahren dort untergebracht und hat ein eigenes Kino mit 135 Plätzen. Zu Stummfilmen spielt eine mehr als 80 Jahre alte Kinoorgel. Eine neue Dauerausstellung ist für 2012 geplant. In der jetzigen sind Exponate rund um den Film zu sehen: ein Kleid Zarah Leanders, Polanskis Regiestuhl oder ein Toupet von Hans Albers. Mehr als eine Million Fotos gehören zum Bestand, dazu eine Technik-, eine Plakat- und eine Kostümsammlung.
Ein Ausflugsziel nicht nur für Cineasten ist der Filmpark Babelsberg - nahe des Geländes, wo mit der Grundsteinlegung fürs erste Babelsberger Studio alles begann. Im „4D-Kino“ werden täglich drei verschiedene Filme gezeigt, und in einer Stuntshow zeigt eine professionelle Stuntcrew filmreife Action. Neu in diesem Jahr ist die „Blaue Kugel“, in der Sabine Christiansens Talkshow gedreht wurde und in der nun ein „Erlebniskino“ einzieht, bei dem die Zuschauer in die Handlung eingreifen können. Am 6. August ist dort die „Lange Babelsberger Filmparknacht“, am 24. September Bürgerfest unter dem Motto „100 Jahre Film- und Medienstadt“.
Überhaupt gibt es zum „Stadt des Films“-Jahr in Potsdam ein volles Programm. „Wir haben für das Filmjahr rund 130 Veranstaltungen geplant, und es kommen immer noch neue hinzu“, sagt Prof. Elizabeth Prommer, Leiterin des Projektbüros „Stadt des Films“. „Eine Reihe von Filmen werden an ungewöhnlichen Orten gezeigt“, sagt Prommer. Der DEFA-Film „Die Legende von Paul und Paula“ zum Beispiel im Stadtbad Babelsberg, wo er auch gedreht wurde.
An der Schwanenallee nahe der Glienicker Brücke ist „Unter den Brücken“ zu sehen, einer der ersten Filme, in denen Hildegard Knef zu sehen war. Auch „Effi Briest“ wird am Originalschauplatz im Schlosspark Marquardt aufgeführt. Und im Holländischen Viertel gibt es eine Vorstellung des Kinderfilms „Hexe Lilli“, der in Potsdam spielt.
An der Glienicker Brücke, die in vielen Filmen eine Rolle spielt, ist an mehreren Terminen außerdem „Agentennacht“. Das Filmorchester Babelsberg und der Filmpark zeigen dann eine Show aus Musik, Stunts, Pyro- und Spezialeffekten. Bei den UFA-Filmnächten vom 1. bis 3. September ist Park Sanssouci die Kulisse. Dort vor der Orangerie werden „Das Flötenkonzert von Sanssouci“ sowie die Stummfilmklassiker „Nosferatu“ und „Der letzte Mann“ gezeigt. Eine Tour mit einem Schiff der Weißen Flotte führt am 3. September entlang der Villenkolonie Neubabelsberg. An Bord gibt es ein Büfett sowie Geschichten und Anekdoten über Schauspieler, Regisseure und die Traumfabrik vor den Toren Berlins.