Storchennester und Biberburgen - Mit Rad und Kanu durch die Prignitz
Lenzen (dpa/tmn) - Die Prignitz ist der äußerste Nordwesten Brandenburgs. Hier sagen sich Fuchs und Hase gute Nacht. Die Landschaft an der Elbe ist noch ursprünglich. Wer hier Urlaub macht, schaltet sofort einen Gang herunter - und stärkt sich mit Moorhappen.
In der Prignitz im Nordwesten Brandenburgs gehen die Uhren noch anders. Jürgen Herper könnte das bestätigen, wenn er eine Uhr hätte. Hat er aber nicht. Braucht er auch nicht. Der Ranger von der Naturwacht Flusslandschaft Elbe stapft die Böschung hinunter. Auch auf sein Fernglas kann er jetzt verzichten. Herper steht direkt vor einem Biberbau: „Da ist ne ganz starke Truppe drin“, sagt er, „sechs Tiere insgesamt.“
Herper ist mit den Elbe-Bibern quasi per du. „Hier im brandenburgischen Teil des Biosphärenreservats Flusslandschaft Elbe gibt es gut 150 Tiere“, erzählt er. „Auf dem Tiefpunkt waren es nur noch 50.“ Mittlerweile fühlen sich die Tiere in der Prignitz wieder richtig wohl. „Ein Grund dafür ist der Mais auf den Feldern“, erklärt der Naturschützer. „Mais ist für Biber, was Schokolade für uns ist. Die Jungen werden dadurch kräftig.“
Herper schwingt sich aufs Fahrrad. Damit ist er hier zwischen den Elbdörfern am liebsten unterwegs und zeigt Besuchern der Prignitz die Landschaft, in der er groß geworden ist. Der Ranger ist in Rühstädt, dem Europäischen Storchendorf, zur Schule gegangen und heute dort Bürgermeister. Storchennester sieht man hier auf etlichen Häusern, Rühstädt hat die größte Weißstorchpopulation Europas. Vergangenes Jahr haben 24 Paare dort gebrütet - und noch einmal 30 Paare in den Dörfern der Umgebung.
Natur entdecken lässt sich aber auch in Lenzen, wo der BUND in Burg Lenzen ein Besucherzentrum hat. Hinter der Burganlage spiegelt sich die Sonne auf der Löcknitz, einem Nebenfluss der Elbe. Ihr Wasser fließt träge, in der Strömung wiegen sich Wasserpflanzen. An einem Steg liegt die „Biber 2“ und ein weiterer Kanadier, mit denen sich die Flusslandschaft erkunden lässt. Susanne Gerstner, die Leiterin des Umweltbildungszentrums auf Burg Lenzen, ist schon eingestiegen. Und keine fünf Minuten später legt die ganze Gruppe ab.
Seerosen und Teichrosen blühen an der Wasseroberfläche. Am Ufer steht Schilfrohr, darüber spielen Libellen in der Luft Fangen. „Die Auwälder sind hier noch so ursprünglich wie früher entlang der ganzen Elbe“, sagt Gerstner. „Fischotter und Eisvögel sind hier heimisch.“ Die Boote gleiten ruhig übers Wasser, das Paddeln mit der Strömung erfordert keine Höchstleistungen und trägt zur Entschleunigung bei.
Am nächsten Morgen steht Gerstners Kollegin Birgit Fehlinks schon vor Sonnenaufgang am Burgtor, bereit zu einem Ausflug ins Rambower Moor. Dort ist nie viel los, aber um diese Uhrzeit ist buchstäblich niemand unterwegs. Fehlinks stapft zwischen Birken und Buchen auf dem Waldweg voran. Über den Weiden liegt noch Nebel, kein Vogelzwitschern ist zu hören, aber Kühe brüllen so laut, dass es fast unheimlich wirkt. Die Dexter-Rinder, die als besonders robust gelten, sind allerdings Nebensache.
Fehlinks hat ihre Gäste hierher geführt, weil das Moor bei Rambow einer der größten Sammelplätze für Kraniche in Brandenburg ist. Und die lassen sich am besten am frühen Morgen beobachten. Die Biologin hat vorgeschlagen, einen Kaffee in der „Moorscheune“ in Boberow zu trinken. Im ersten Stock sitzt man mit Blick durch ein riesiges Panoramafenster auf Wiesen und Wald: „Hier gibt's Kuhkino“, sagt der Inhaber Christian Ebner, als er „Moorhappen“ zum Frühstück serviert, Mettwurst- und Käsebrot. Von den Biokühen ist aber noch keine zu sehen. Dafür streicht ein Fuchs am Waldrand entlang.