Urlaub im Harz: Durch das Tor der Liebe
Stabkirche, Hexen und ein besonderer Wanderweg locken Urlauber in den Harz.
Hahnenklee. Leises Stimmengewirr rund um die Stabkirche: Deutsche, dänische, niederländische — vereinzelt auch russische und polnische — Besucher bestaunen an diesem Nachmittag das ungewöhnliche Holzbauwerk. Die im Jahr 1907 nach dem Vorbild nordischer Gotteshäuser ohne Nägel und Schrauben erbaute Kirche ist das Wahrzeichen des Harzer Ferienorts Hahnenklee am Fuß des 726 Meter hohen Bocksbergs.
Vieles an der Stabkirche erinnert an Wikingerschiffe: die Drachenköpfe an den Giebeln, die Schlangen am Dachfirst. Manche Fenster gleichen Bullaugen. In Norwegen gibt es ähnliche Bauten. In Deutschland ist die bei Hochzeitspaaren beliebte Kirche einzigartig.
Nur einen Steinwurf entfernt beginnt Hahnenklees zweite wichtige Attraktion: der Liebesbankweg. Als Mitte des vergangenen Jahrzehnts die Idee aufkam, an einem bereits vorhandenen Wanderweg rund um die Kuppe des Bocksbergs Bänke zum Thema Liebe aufzustellen, ahnte noch niemand etwas von der bevorstehenden Erfolgsgeschichte. „Inzwischen wandern jährlich eine Dreiviertel Million Gäste über die sieben Kilometer lange Strecke“, sagt Tourismuschefin Isabel Junior.
Am Anfang steht das Tor der Liebe, unter dem sich Jungvermählte gern fotografieren lassen. Dann folgen in unterschiedlichen Abständen 25 handgefertigte Holzbank-Unikate, die jeweils einem besonderen Hochzeitstag gewidmet sind. Vom Tag der Heirat bis zur extrem seltenen Kronjuwelenhochzeit, die nach 75 Ehejahren gefeiert wird. Auch wer sich nicht setzen will, stößt überall auf die Liebe: die Quelle der Liebe, Kunstwerke mit Namen wie „Marmor, Stein und Eisen“, oder Gedichtsteine mit Liebesversen.
Die erste Hälfte des Wegs bietet zudem weite Blicke ins Harzvorland. Im zweiten Abschnitt geht es an Teichen des Unesco-Welterbes „Oberharzer Wasserregal“ entlang, das Bergleute im Mittelalter angelegt haben, um stets genügend Wasser für Pumpen und Schöpfräder zu haben.
Dem Deutschen Wanderinstitut gefällt der Weg so gut, dass er ihm sein Premiumsiegel verliehen hat.
Auch mit Hilfe des Liebesbankwegs ist Hahnenklee aus dem touristischen Dornröschenschlaf erwacht, in den es nach 1990 wie viele andere westdeutsche Harz-Orte gefallen war. „Der Harz galt lange als etwas verschlafen“, sagt die Geschäftsführerin des Tourismusverbands, Carola Schmidt. Das ändert sich jetzt. Die Übernachtungszahlen steigen wieder. Dazu tragen vor allem in Hahnenklee auch etliche ausländische Gäste bei.
Niederländer und Dänen haben den von Wäldern und Bergen umgebenen Ort für sich entdeckt. Einer dänischen Unternehmerfamilie gefiel es in Hahnenklee so gut, dass sie vor einigen Jahren ein eigenes Hotel mitsamt Restaurant eröffnete. Seither gibt es im Harz neben heimischen Spezialitäten wie Fleischgerichten vom Hirsch oder dem Roten Höhenvieh auch nordische Spezialitäten und Brot nach dänischem Rezept.
In der Nacht zum 1. Mai kommt zudem noch eine ganz besondere Personengruppe nach Hahnenklee. Sie schlüpft gern in Hexen- oder Zaubererkostüme: Der Ort ist eine der Hochburgen des alljährlichen flächendeckenden Walpurgis-Spektakels im Harz.
Jetzt soll der touristische Ausbau des Bocksberges weitere Gäste anlocken, die vor allem Spaß haben wollen. Der Bau von Nordeuropas längster Sommerrodelbahn steht vor dem Abschluss. Und auf dem Gipfelplateau entstehen ein großer Spiel- und Spaß-Park sowie eine Waldschule für Kinder.
Nicht weit von der Talstation der Seilbahn, mit der im Sommer Mountainbiker und im Winter Skifahrer auf den Bocksberg schweben, steht ein Denkmal des wohl bekanntesten Bürgers von Hahnenklee: Paul Lincke. Der 1946 gestorbene Komponist, der mit seinem Lied „Berliner Luft“ populär wurde, ist in Hahnenklee beigesetzt.
Alle zwei Jahre wird zu seinem Gedenken der Paul-Lincke-Ring für deutschsprachige Unterhaltungsmusik verliehen. Dann ist der Ort nicht nur von Wanderern und Mountainbikern bevölkert — dann kommen auch Udo Jürgens, Peter Maffay, Max Raabe.