„Tourist go home“: Protest-Graffiti auf Mallorca
Palma de Mallorca (dpa) - Die Angst vor Terroranschlägen in der Türkei, Nordafrika und anderen klassischen Reisezielen beschert Spanien derzeit touristische Rekordzahlen. Für ihren Urlaub hatte sich auch Dagmar kurzfristig „aus Sicherheitsgründen“ diesmal gegen Tunesien und für Mallorca entschieden.
So sicher fühlte sich die junge Hamburgerin auf der Urlaubsinsel dieser Tage aber auch nicht mehr. „Beim Bummel durch Palma blieb mir plötzlich das Eis im Hals stecken, ich habe mich richtig erschrocken“, erzählt sie. „Tourist go Home“ und „Refugees welcome“ sah sie in roter und schwarzer Farbe groß auf einer Wand.
Graffiti mit Protesten und Beleidigungen gegen Touristen tauchten in den vergangenen Tagen plötzlich an verschiedenen Stellen im Zentrum Palmas auf. Die Verantwortlichen der auf Mallorca nie dagewesenen Aktion sind bisher unbekannt geblieben. Einige Besucher fotografierten belustigt die Schmierereien, die unter anderem groß auf der Fassade der Tourismus-Hochschule prangten. Andere reagierten entsetzt und bekamen sogar Angst, wie Dagmar, und nicht wenige waren sehr verärgert. „Oh, we have to gome? We have to go home?“, rief ein Touristenpärchen verwundert, als es vor laufenden Kameras des spanischen Fernsehens die Graffiti sah.
Die Mallorquiner sind eigentlich für ihre Gastfreundschaft bekannt. Sie haben sie einfach von Natur aus. Und auch diejenigen, die nicht vom Tourismus leben, wissen, dass die Branche inzwischen für rund 45 Prozent aller Einnahmen der Insel und der gesamten Balearen sorgt. Doch ist es kein Geheimnis, dass die stetig in die Höhe schießenden Besucherzahlen, die Mallorca vor allem im Sommer aus allen Nähten platzen lässt, immer mehr Sorgen und Unmut auslösen.
Dieses Jahr sollen zur Hauptsaison zwischen April und Oktober gut 13,2 Millionen Gäste - die meisten davon wieder Deutsche - auf dem Flughafen Son Sant Joan in Palma landen. Das sind 16,5 Prozent mehr als in der Rekordsaison 2015. Gaststätten- und Hotelbesitzer reiben sich vor allem am Ballermann die Hände, die Kassen klingeln wie nie zuvor. Nach Angaben von Hotelsprechern wird es „Probleme geben, alle Besucher unterzubringen“. Die Zeitung „Diario de Mallorca“ berichtete am Sonntag, die Ferienwohnungen auf „Malle“ würden im Sommer „die teuersten der Welt sein“ und mit durchschnittlich 256 Euro pro Nacht mehr als etwa in Paris, New York oder Tokio kosten.
Aber nicht nur die Parolensprüher von Palma - die die Besucher unter anderem mit dem Spruch „Tourist you are the Terrorist“ beleidigten - gehen auf die Barrikaden. Der TV-Sender „TVE“ berichtete diese Woche für ganz Spanien über die Protestaktion und befragte Passanten in Palma. „Man missbraucht die Ressourcen Mallorcas“, sagte ein älterer Mann. Eine junge Frau schimpfte: „Der Massentourismus lässt uns an vielen Tagen nicht ausschlafen!“
Luis Clar vom Anwohner-Verband im Kathedralen-Viertel meinte: „Es gibt inzwischen eine Phobie gegen Massentourismus.“ Das führte dazu, dass die Leute auch so ihre Meinung äußern wollten. „Von der Überfüllung zum Kollaps ist es nur ein Schritt“, warnt derweil die Umweltschutzgruppe GOB. Sie forderte die Balearen-Regierung auf, die Übernachtungskapazitäten auf den Inseln endlich zu begrenzen.
Die linke Balearen-Regierung, seit Sommer 2015 im Amt, kritisierte die Schmierereien als „Vandalismus“. Der stellvertretende Chef der Regionalregierung Biel Barceló erinnerte daran, dass der Tourismus den Inseln Jahreseinnahmen von zwölf Milliarden Euro beschert und für 150 000 Arbeitsplätze sorgt. Der Minister, der auf der Straße schon mal zur Bekämpfung des Massentourismus aufgerufen wird, sagte aber auch, Mallorca sei zu bestimmten Jahreszeiten von Touristen „übersättigt“. Auch die Unternehmer des Sektors seien dieser Ansicht. Die Überfüllung sei zudem auch nicht im Sinne der Besucher. Man wolle einen „nachhaltigen Tourismus“.
Es gibt nicht nur bei Umweltschützern, sondern auch innerhalb der Regierung und der Gesellschaft eine immer hitzigere Debatte über eine Begrenzung der Touristenströme. Zum 1. Juli wird bereits eine „Touristensteuer“ zwischen 0,25 und 2,00 Euro pro Nacht je nach Art der Unterkunft eingeführt. Die sozialistische Ministerpräsidentin Francina Armengol stellte mehrfach klar, man wolle Touristen nicht abweisen, sondern unter anderem das Bettenangebot limitieren und die Besucherströme gleichmäßiger auf das ganze Jahr verteilen.
Bürgermeister José Hila hat die Stadtreinigung angewiesen, die Parolen an öffentlichen Gebäuden im Altstadtviertel zu beseitigen. An die touristenfeindlichen Schmierereien werden sich die Besucher vorerst aber gewöhnen müssen. Für die Entfernung der vielen Graffitis auf privaten Flächen kommt das Rathaus nämlich nicht auf. Und an denkmalgeschützten Fassaden wird die Säuberung einige Zeit in Anspruch nehmen. Man müsse ja erst prüfen, so Hila, welche Mittel geeignet seien, um die Wände nicht zu beschädigen.