Ackern bei Nacht mit der Gemüse-Schutz-Gruppe

WZ-Autor Matthias Rech berichtet vom Mietacker in Niederkassel

Düsseldorf. Wir sind als Großstadtbauern angekommen. Kein Ungeziefer kann sich mehr vor uns verstecken, pflanz- und pflegetechnisch macht uns keiner was vor. Und Piet, der am Anfang ja noch das Grüne von den Radieschen aß, lässt sich von den tomatenartigen Früchten der Kartoffel im Juli nichts vormachen. Bis zur Erdäpfel-Ernte ist es noch ein gutes Stück hin.

Nun wurde endlich auch das Rätsel um die letzte uns unbekannte Pflanze auf unserem Acker gelöst. Zwischen der Kapuzinerkresse war ein Strauch emporgewachsen, der so gar nicht zu allem passte, was drum herum wächst. Wir hatten schon Blattproben genommen, Fotos gemacht und im Internet verglichen — ohne dem Geheimnis dieses Busches auf die Spur zu kommen. Schließlich fing das Gewächs an, rosa zu blühen und Piets Mutter, die uns auf dem Acker besuchte, brachte Licht ins Dunkel: „Dat ist doch ‘ne Malve.“ Ja sicher, ‘ne Malve. Na klar! Christine brach sich gleich ein paar Blüten ab und kochte sich einen Tee daraus. Schmeckte zwar nicht besonders gut, aber half gegen ihre Sommer-Erkältung. Die größten Herausforderungen sind also gemeistert.

Einzig die Zucchini-Flut, mit der uns unsere vier Pflanzen überschwemmen, sprengt alle Kapazitäten und überfordert teilweise unsere Rezept-Kreativität. Schätzungsweise ernten wir jede Woche 10 Kilo des grünen Gemüses. Was kann man aus Zucchini alles machen? Da müssen wir uns noch etwas einfallen lassen. Ich werde berichten.

Aber fürs Ackern selbst heißt es nun, neue Reize zu schaffen. Damit sich in der bäuerlichen Routine keine Nachlässigkeit einschleicht. Als unfreiwillige Ideenquelle entpuppte sich dabei meine Cousine Josiane (15), die uns in dieser Woche in Düsseldorf besuchte. Sie kennt sich zwar nicht gerade gut aus in Gemüsefragen und entlarvte sich selbst als sie beim Anblick eines Spitzkohls fragte: „Was ist das denn für eine Frucht?“ Aber weil wir uns mit ihr auf der Rheinkirmes durch die Luft wirbeln ließen, bis meine Gesichtsfarbe in etwa die eines Kohlrabis hatte, und weil es dann doch etwas später geworden war, entdeckten wir etwas, das zum Trend für gelangweilte Großstadtbauern werden könnte: „Ackern at Night“.

Tiefe Dunkelheit lag über dem Feld in Niederkassel. Aus der Ferne hörte man noch das Bass-Wummern und Gekreische der Kirmes. Unter den Platanen am Kaiser-Friedrich-Ring torkelte ein altbierseliges Pärchen gen Heimat und wir knipsten zwischen Wirsing und Buschbohnen unsere Stirnlampen an. Ein bisschen unheimlich ist das schon nachts auf dem Acker.

Der Auftrag des nächtlichen Einsatzkommandos lautete: Zucchini ernten — was sonst — und Kürbis, Melone, Salat, Gurken und Zucchinis sowie den neu ausgesäten Spinat gießen. Denn die brauchten bei der Hitze unsere bäuerliche Fürsorge. Wir kämpften uns durch das mittlerweile kniehohe Nutz-Gestrüpp und zogen koordiniert, schnell und lautlos wie die GSG 9 (steht hier für Gemüse-Schutz-Gruppe) unsere Mission durch. Ich betätigte den Brunnenhebel und füllte Gießkannen ab, deren Inhalt Josiane und Christine auf dem Acker verteilten. Nur das Huschen unserer Lampen hätte uns den Rhein-Flanierern verraten können.

Wir trotzten unzähligen Angriffen von Stechmücken und ließen uns nicht von Kaninchen-Mist auf dem Feld beirren. Nach nur 20 Minuten verschwanden wir mit einer Kiste voll Zucchinis — so schnell und so leise, wie wir gekommen waren.

Als wir gegen Mitternacht wieder zu Hause waren funkte ich nur schnell ans Hauptquartier, also an Piet, Alex und Jonas: „Grünkohl Eins an Kartoffelkäfer: Auftrag erledigt, Gegossen und geerntet, keine Verluste, keine besonderen Vorkommnisse. Over und aus.“ Ackern bei Nacht — Nervenkitzel im Gemüsebeet.