Serie: Hip-Hop made in Düsseldorf „Beate Zschäpe hört U2“ veränderte alles
Mit einem Song wurde die Antilopen Gang aus Düsseldorf schlagartig bekannt. Der Ruhm hält an.
Düsseldorf. Das, was sie geschafft haben, ist einzigartig: In der Stadt, in der einst der deutschsprachige Punk und die moderne Elektromusik erfunden wurde und deren berühmteste Bands Die Toten Hosen und Kraftwerk geschätzte 99 Prozent der Beachtung abgreifen, reiften sie zu einer der populärsten Rap-Gruppen der Gegenwart heran. Mit einem vergleichsweise bescheuerten Namen und ohne Blatt vor den Reime ausspuckenden Mündern haben sich Koljah, Panik Panzer und Danger Dan von der Antilopen Gang zum nächsten popmusikalischen Aushängeschild Düsseldorfs gemausert.
Dabei war das anfangs, im Gründungsjahr 2009, noch gar nicht abzusehen. Da stellten sie nur das eine oder andere Video ins Internet und schmissen in ihren Texten mit den typischen Klischees herum, die junge Menschen zwischen Kindheit und Erwachsensein umtreiben. In „Fick’ die Uni!“ etwa rappten sie recht proletenhaft gegen Autoritäten und gaben die aufmüpfigen Halbwüchsigen.
Bis irgendwann der 24. Oktober 2014 kam. Ein Wendepunkt. Es war der Tag, an dem die Antilopen Gang ihren Song „Beate Zschäpe hört U2“ veröffentlichte. Ein Lied, aus Düsseldorf, das alles veränderte. Auf einmal hörte ihnen die Masse der Menschen zu und nahm sie ernst. Weil da nämlich drei junge Musiker auf wunderbar ironische Weise den in der Mitte der Gesellschaft aufkeimenden „Man wird doch wohl noch sagen dürfen . . .“-Rechtsextremismus an den Pranger stellten. Genauso wie früher die Nazi-Skinheads im Ärzte-Singsang ihre „Kuschelrock“-LP neben Störkraft- und Böhse-Onkelz-Platten im heimischen Regal stehen hatten, war es jetzt die Mittäterin der Mörder des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU), die abends, nach ihren abscheulichen Taten, dem Weltverbesserer Bono lauschte, um abzuschalten.
Der Wolf im Schafspelz in der Mitte der Gesellschaft. Enttarnt von drei rappenden Jungspunden in ihren Zwanzigern. Es folgte ein Vertrag beim Toten-Hosen-Label JKP, das ein wenig Gold aus dem prall gefüllten, hauseigenen Punkrockgeldspeicher in diese seltsame Hip-Hop-Gang steckte. Das Trio heimste Musikpreise ein, buchte Auftritte vor immer mehr Zuschauern und stieg zu zumindest kleinen Galionsfiguren des deutschsprachigen Rap auf.
Und trotzdem sind die Jungs von der Antilopen Gang nach wie vor geerdet bis zum Anschlag: Ihr zweites Album „Abwasser“ — ebenso ein Abgesang auf die träge, besorgte und dem Kapitalismus verfallene Gesellschaft wie im Falle von „Aversion“ — veröffentlichten sie kostenlos im Internet. Und bei jeder Gelegenheit betont vor allem Koljah als der gebürtige Düsseldorfer in der Band, wo er und seine Antilopenfreunde herkommen: vom Punk. „Als Düsseldorfer führt ja kein Weg an den Hosen vorbei“, sagt er. Kolja wuchs übrigens in Bilk auf.
Noch heute lebt er dort und wird mittlerweile von den Nachbarn auf seine Fernsehauftritte und Zeitungsberichte angesprochen. Es gibt also keinen Zweifel: Düsseldorf als neuer leuchtender Klecks auf der Hip-Hop-Landkarte, Rap in der Punk- und Elektro-Stadt - dank der Antilopen Gang klappt das ganz hervorragend.