Das Li-La-Lena-Land ist Geschichte

Düsseldorf (dpa) - Samstag, 22.15 Uhr: Lena schaut verrucht in die Kamera, haucht mystisch „Taken By A Stranger“ und wirkt so schrecklich erwachsen. No more Göre, Lena? Noch einmal hängt ihr die ganze Grand-Prix-Nation an den Lippen.

Als sie sich drei Minuten später tief vor den 36 000 Zuschauern in der Halle verneigt und die Bühne verlässt, ist das so etwas wie ein Abgang. Es könnte ihr letzter ganz großer Auftritt gewesen sein. Bei der ARD haben bereits die Gedankenspiele für den Eurovision Song Contest 2012 begonnen. Allerdings muss Unterhaltungschef Thomas Schreiber ohne Lena planen. Selbst wenn sie mit einem erneuten Sieg die Überraschung perfekt gemacht hätte: Sie wäre kein drittes Mal angetreten - darauf hatte sie sich schon vor Samstag festgelegt. Was die ARD in nächster Zeit mit Lena vorhat - ob sie überhaupt etwas mit ihr vorhat -, lässt Schreiber noch offen.

Lena selbst feiert jetzt erst mal Geburtstag. Sie wird am Montag in einer Woche 20 Jahre alt. Ihr Geschenk für den 23. Mai kennt sie schon: Sie bekommt einen kleinen Hund namens Fuzi. Nach einer Auszeit in den nächsten Monaten mit längerem Urlaub will sie noch in diesem Jahr wieder auf Tournee gehen - nicht mehr durch die Arenen, sondern durch Clubs und kleinere Hallen.

Ohne Zweifel hat Lena den Ehrgeiz, nicht als zweite Nicole in der Versenkung zu verschwinden. Den großen Plan für die Zukunft hat sie allerdings noch nicht. Und so klingen auch ihre Antworten, wenn man sie nach ihren Plänen für die nächsten Jahre fragt, etwas vage: „Vielleicht irgendwie Ausland, vielleicht aber auch hierbleiben und irgendwas studieren oder auch gar nichts“, sagte sie vor ein paar Tagen der Nachrichtenagentur dpa.

Thomas Schreiber sieht in Lena großes Potenzial. Ihr ESC-Auftritt mit „Taken By A Stranger“ sei perfekt gewesen. „Man konnte dort nichts besser machen“, resümiert er. Die ARD hat Lena viel zu verdanken. Das „Fräuleinwunder“ küsste den vor sich hindämmernden Song Contest wieder wach und bescherte der ARD auch dieses Jahr eine Top-Quote.

Zwar gab es diesmal keine „twelve points for Germany“, keine vor Nervosität an der Deutschlandflagge knabbernde Lena, sondern mit dem zehnten Platz nur oberes Mittelfeld. Trotzdem: Auch für Lena hat sich ihr zweites ESC-Jahr gelohnt. Ohne die massive Werbung durch die Vorentscheidung „Unser Song für Deutschland“ wäre ihr Album kaum sofort auf Platz 1 geschossen.

Und die ideelle Seite? Das Bild von der unbekümmerten, leicht abgedrehten Abiturientin, die alles nicht so ernst nimmt, hat sich verändert. Aus Lovely Lena ist ein Medienprofi geworden, der Interviews in Serie gibt.

In der vergangenen Woche bildete die schmale junge Frau in Düsseldorf das Zentralgestirn eines kleinen Sonnensystems, um das ohne Unterlass Journalisten, Kameraleute, PR-Menschen und Musikexperten kreisten. Dabei entfernte sie sich ein wenig von den Fans: Während Lena häufig abgeschirmt wurde, herzten ihre Konkurrenten die ESC-Gemeinde, ließen sich fotografieren und trällerten einfach mal so drauflos. Aus purer Freude am Singen.

Vielleicht gelingt es im nächsten Jahr, wieder einen ähnlich erfrischenden Kandidaten für Deutschland zu finden. Wahrscheinlich setzt die ARD dazu ihre Zusammenarbeit mit Stefan Raab und ProSieben fort. Jörg Grabosch, der unter anderem Stefan Raabs Show „TV Total“ verantwortet, zeigt sich zumindest sehr offen dafür. Die Kooperation habe sich bewährt.

Für Lena beginnt eine ganz neue Zeit - schließlich ist sie keine Kate Middleton, der Aufmerksamkeit bis zum Staatsbegräbnis garantiert ist. Vielleicht kann sie sich eine feste Fangemeinde erhalten. Sie hat noch viele Sympathien - das merkte man an dem begeisterten Jubel bei ihrem Auftritt in der Düsseldorfer Arena. Aber das Li-La-Lena-Land ist jetzt Geschichte.