Die besten Düsseldorfer Live-Konzerte Die Toten Hosen: Das tausendste Konzert wurde zur Tragödie
Die Toten Hosen traten am 28. Juni 1997 im Rheinstadion auf, um ihr Bühnenjubiläum zu feiern. Im Gedränge starb die 16-jährige Rieke.
Düsseldorf. Auch wenn die „1000“ nach den ersten 15 Jahren Bandgeschichte eher der Wahrscheinlichkeitsrechnung als der genauen Buchführung zugeordnet werden darf, hatten Andi, Breiti, Campino, Kuddel und Wölli tatsächlich wohl schon weit über 900 offizielle Konzerte in den Knochen. Monatelang haben sie sich auf ihr Jubiläumskonzert, eine Feier im großen Rahmen, vorbereitet. Allein die Bühne wurde aus 320 Tonnen Stahl konstruiert, Gigantomanie für 60 000 Zuschauer in Düsseldorfs WM-Stadion.
Die Tickets waren bereits ein halbes Jahr im Voraus ausverkauft. Es sollte ein rauschendes Fest werden, der absolute Höhepunkt ihrer Karriere. Und es hätte alles so schön werden können. Die Sonne strahlte wunderbar, im Innenraum wurde Uerige-Alt ausgeschenkt und die angesagte Rockergang „Moto Clan“ sorgte für zusätzlichen Schutz. Die Stimmung war bereits lange vor dem Auftritt der fünf Jubilare auf 1,2 Promille. Doch es kam leider anders. Nämlich zur größten Tragödie in der Bandgeschichte der Toten Hosen, zum Open-Air-Super-Gau.
Schon bei dem letzten Support-Act, Bad Religion aus Amiland, war das Gedränge groß, doch als sie um 21 Uhr die Bühne stürmten und mit „Hier kommt Alex“, „Alles wird gut“ und „Liebesspieler“ loslegten, gerät es außer Kontrolle. Ein 16-jähriges Mädchen aus den Niederlanden kommt dabei ums Leben. 300 weitere Fans werden verletzt. Das Konzert unterbrochen. Polizei und Feuerwehr erscheinen auf der Bühne — eine lange, ungewisse Pause entsteht.
Die Band ist geschockt. Um eine Massenpanik zu verhindern, drängt die Einsatzleitung die Band zur Fortsetzung des Konzerts. Wie in Trance spulen die Toten Hosen ihr aus insgesamt 35 Songs bestehendes Set runter. Campino ruft immer wieder zur Rücksichtnahme auf und drosselt das Tempo. Nach dem „Altbierlied“ gibt es noch sieben (!) Zugaben, u.a. „Kölner“, die umgedichtete Version des Grönemeyer-Hits „Männer“, dann war die Horrorshow vorüber. Die Band versinkt in einem Tränenmeer.
Wegen der schlimmen Ereignisse gaben die Hosen in den nächsten anderthalb Jahren kein Konzert mehr im Land. Sie durchlebten eine existenzielle Krise, in der auch über Auflösung nachgedacht wurde.
Ihre Pokerfaces, nachdem sie zum Weitermachen genötigt wurden, bleiben die größte schauspielerische Leistung der Band. Nur wer sie näher kannte, ahnte, dass irgendwas nicht stimmte. Campinos waghalsiger Spaziergang auf dem 20-Meter hohen Bühnendach, bei dem ihm nicht mal sein getreuer Leibwächter 9-Finger-Meyer mehr folgen wollte, geschah aus reinem Fatalismus. Später sagte er mir mal: „In dem Moment habe ich es darauf ankommen lassen. Nie wäre es mir egaler gewesen, abzustürzen.“ Doch die meisten der 60 000 Fans merkten nichts von dem Schock und feierten — wie von den Verantwortlichen gewollt — weiter.
Doch nicht nur ihr verantwortungsvolles Weitermachen auf der Bühne, sondern auch das anschließende Krisenmanagement war grandios. Sie kümmerten sich um die Familie des verstorbenen Mädchens, halfen dabei, die Geschehnisse schonungslos aufzuklären.
Weder vor, noch nach diesem Tag war ihr Weg von Schicksalsschlägen verschont geblieben. Den frühen Drogentod ihres Roadies Bollock und den Mord an ihrem Ersatztrommler Jakob Keusen hatten sie schon erleiden müssen. In den letzten acht Jahren starben sowohl ihr Body-Guard Manfred Meyer und ihr guter Geist Uwe Faust, der als Erster im Gemeinschaftsgrab auf dem Südfriedhof beerdigt wurde. Ihm folgten der engste Freund und Manager Jochen Hülder (2015) und Wolfgang „Wölli“ Rohde (2016), der ehemalige Schlagzeuger, sowie einige weitere enge Wegbegleiter. Tod und Religion sind ein häufiges Thema in den späten Songs der Band.
Das Lied „Alles“ ist Rieke gewidmet. 1998 wagten sich DTH erstmals wieder auf eine Bühne. Weit weg von der Heimat, auf der „Vans Warped-Tour“ durch Australien, Neuseeland, Japan und USA.