„Verlegt den Karneval in den Sommer“

Für Ex-Hoppeditz Jürgen Hilger-Höltgen geht die Kultur des Winterbrauchtums immer mehr verloren.

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Düsseldorf. Elf Jahre lang war Jürgen Hilger-Höltgen Hoppeditz. seit 1998 ist er bei jeder Fernsehsitzung dabei. Sein Markenzeichen: geschliffene Reime in der Tradition närrischer Büttenredner. Eine aussterbende Gattung. Im Gespräch mit der WZ schlägt der 56-Jährige vor: Verlegt den Karneval doch in den Sommer.

Herr Hilger-Höltgen, Karneval im Sommer. Das hatten wir schon mal. Warum schlagen Sie das vor?

Hilger-Höltgen: Der Karneval ist inzwischen völlig belanglos geworden. Da ist völlig egal, zu welcher Jahreszeit er stattfindet. Im Sommer braucht man dann auch bei den Kostümen nicht mehr darüber nachzudenken, was man anzieht, sondern was ausgezogen wird.

Belanglos? Wie meinen Sie das?

Hilger-Höltgen: Ich bin der letzte Büttenredner, eine Art Dinosaurier. Was ich mache, das ist Karneval. Und die Rede ist traditionell ein Kerngeschäft des Karnevals. Es geht schließlich darum, der Obrigkeit den Spiegel vorzuhalten. Das ist übrigens einer der Gründe, warum Karneval Weltkulturerbe werden soll. Doch heute bestehen die Sitzungen zu 70 Prozent aus Musik und Party.

Woran liegt das?

Hilger-Höltgen: Der Zeitgeist hat sich geändert, die Leute kommen nur noch zum Feiern zu den Sitzungen. In den letzten Jahren haben immer mehr Comedians den Karneval entdeckt. Ob Knacki Deuser oder der Blötschkopp. Das sind Reden, die man das ganze Jahr halten kann. Mit Karneval hat das nur noch wenig zu tun.

Was unterscheidet eine Büttenrede von Comedy?

Hilger-Höltgen: Eine Büttenrede sollte eine in sich geschlossene Geschichte sein, die von einer Type erzählt wird. Sie muss nicht einmal immer gereimt werden. Bei Auftritten von Comedians werden einfach Gags aneinander gereiht.

Und was soll aus dem Rosenmontagszug werden?

Hilger-Höltgen: Der funktioniert auch im Sommer. Jacques Tilly beklagte sich ja immer darüber, dass die Farbe noch feucht ist, wenn die Wagen aus der Halle fahren. Im Sommer werden sie viel schneller trocken. Er hat da sicher nichts gegen.

Warum hat sich der Karneval so entwickelt?

Hilger-Höltgen: Die Tradition spielt kaum noch eine Rolle. Es gibt immer weniger Autoren, die eine Büttenrede schreiben können. Eine ähnliche Entwicklung gibt es übrigens in der karnevalistischen Musikszene. Es gibt immer weniger Bands, die neue Lieder aufnehmen. Auch Antenne Düsseldorf hat die Närrische Hitparade in der letzten Session eingestellt. Langfristig wird das zu einer Verarmung des Kulturgutes Karneval führen. Ob Projekte wie „Pänz in de Bütt“ daran etwas ändern können, weiß ich nicht.

Hat das auch mit Geld zu tun?

Hilger-Höltgen: Natürlich spielt Geld dabei auch eine Rolle. Ich kann mich noch an meinen ersten Auftritt erinnern. Als 14-Jähriger habe ich in der Urdenbacher Kirche St. Maria Rosenkranz eine Büttenrede gehalten, „Wie die Zeiten sich ändern“ war das Thema damals. Als Gage habe ich 20 Mark, drei Getränkemarken und ein Würstchen mit Kartoffelsalat bekommen. Dafür stellt sich heute niemand mehr auf die Bühne. Es ist eine sehr traurige Entwicklung.