Wagenbauer Jacques Tilly: „Immer feste druff“

Wagenbauer Jacques Tilly über lasche Kölner, Proteste und seinen Wulff-Wagen.

Düsseldorf. Herr Tilly, Sie haben gerade den Kölner Karnevalisten wegen ihres widersprüchlichen und auch langweiligen Entwurfs für einen Bundespräsidenten-Wagen vors Schienbein getreten. Eine Freundschaft mit den Karnevalisten aus der Domstadt wird das wohl bei Ihnen nicht mehr.

Tilly: Damit ist zu rechnen. Ich bin ja mal dort zum Richtfest der Wagen eingeladen worden. Damit war aber bereits voriges Jahr Schluss.

2011 ist ein gutes Stichwort. Sie haben sehr viele kontroverse Wagen konzipiert. Welche fallen Ihnen als Erstes ein?

Tilly: Sarrazin spießt die Türken-Familie auf, oder Ahmadinedschad als Hakenkreuz-Wagen. Dann gab es das Gefährt zum Kindesmissbrauch in der Kirche, bei dem der Priester das Kind auf dem Schoß hat. Aufschrift: „Bei uns ist jeder Tag Weltjugendtag.“

Wo gab es Proteste?

Tilly: Viele Beschwerde-Mails habe ich wegen der Burka-Parade bekommen, bei der das Verhüllungskleid sich bis zum Müllsack verwandelt und den Menschen verschluckt. Bei den Muslimen kochen bei solcher Kritik schnell die Emotionen hoch, viele fühlen sich gleich beleidigt — sie wollen nicht einsehen, dass der Schleier ein Symbol für Unterdrückung ist. Jedoch weil es so viel Hartes gab, wollte ich bei Guttenberg eine Stufe herunterschalten, damit der leichte Humor nicht zu kurz kommt. Aber da hatte ich mir in den Finger geschnitten.

Wieso?

Tilly: Wir hatten den Entwurf, wie der lorbeerbekränzte Guttenberg als Büste auf einer Säule thront. Die kippt um und erschlägt Angela Merkel. Dann kam „Die Zeit“ am Donnerstag vor Rosenmontag mit dem gleichen Motiv auf der Titelseite, allerdings ohne Merkel. Da war der Wagen im Handumdrehen gestorben, sonst hätte man uns leicht Abkupfern vorwerfen können. Ich musste also einen anderen Wagen bauen und er musste härter sein. So kam es zu Guttenbergs Sturzflug ins Kanzleramt und der Metapher „Merkels 11. September“.

Dafür gab es Prügel.

Tilly: So schlimm war’s nicht, ich sitze ja ganz wohlauf hier. Ich denke, rund ein Viertel der Leute meinte, so etwas dürfe man nicht machen — dabei ist der 11.9. längst ein geflügeltes Wort, mit Spott für die Opfer des Attentats hat das nichts zu tun. Der Großteil war denn auch der Auffassung, das ist Karneval, also immer feste druff.

Gibt es im Nachhinein eine Idee, wo Sie sagen: Das war zu hart, das hätte ich besser nicht gemacht?

Tilly: Eher ist das Gegenteil der Fall. Nach ein paar Jahren denke ich, so doll war’s doch gar nicht. Ein Beispiel: Ich habe Ministerpräsident Jürgen Rüttgers mal als Skinhead in Nazi-Kluft dargestellt, wie er einem Obdachlosen das Cello von Thomas Beckmann zerschlägt. Da hatte die Landesregierung der Obdachlosenhilfe einfach eine Million Euro gestrichen und das Bild passte gut, schließlich überfallen Skinheads ja gerne mal Obdachlose. Was war? Keiner hat sich aufgeregt, es gab keine Anzeige, nichts. Rüttgers hat getobt, wie ich hörte, aber dann hat er das Geld wieder überwiesen.

Jetzt sind alle gespannt, was im Düsseldorfer Zug zur Bundespräsidenten-Debatte zu sehen ist.

Tilly: Für mich ist das Amt schon durch die Wahl von Christian Wulff missbraucht worden, eben weil er denkbar ungeeignet ist, auch im Vergleich zu seinem Konkurrenten. Das Amt kann man nur durch Persönlichkeit ausfüllen, dafür ist es gemacht. Was ihm vorgeworfen wird, sind meist Kleinigkeiten, ein Italiener lacht sich kaputt, aber Wulff entspricht nicht der Würde des Amtes — ein Weizsäcker oder Gauck hätte sich solche Unsauberkeiten doch nicht geleistet. Und vor dem Amt habe ich Respekt, nicht aber vor Wulff als Menschen. Wie wir genau mit dem Thema umgehen, ist noch völlig offen. Hinterher tritt er wie Guttenberg auch kurz vor Rosenmontag zurück. Es reicht, wenn ich zwei Tage vor Rosenmontag loslege.

Die Situation ähnelt der von Roland Koch, der nach der Landtagswahl auf Ihrem Wagen mit einer Hand das Victory-Zeichen machte und mit der anderen seinen Kopf in die Höhe hielt.

Tilly: Ich bin schon tot, aber ich weiß es noch nicht — ein merkwürdiges Bild wie das von Geistern in Horrorfilmen. Die Situation ist skurril und die Gesellschaft gespalten. Man fragt sich: Ist das alles übertrieben, spielen sich nicht einige Medien als Scharfrichter auf? Oder gehört es zur politischen Hygiene, dass dieses Verhalten aufgedeckt und auch geahndet wird? Ich bin da auch nicht ganz eindeutig, denn andere Politiker haben sich ganz andere Dinge zuschulden kommen lassen — man denke nur an George Bush und die Folter.

Reizt Sie da im Vergleich überhaupt die Euro- und Finanzkrise mit ihren mächtigen Verwerfungen?

Tilly: Ja, man muss sie mit Humor nehmen, denn Wirtschaftskrisen hat es viele gegeben und ein Weltuntergang ist sie auch nicht. Schließlich ist unser Motto „Hütt dommer dröwer lache“ — und auch wenn die Krise bedrohlich ist, lachen wir an diesem Tag darüber, dass die Feuerwehrleute auch selbst schon brennen.