Studenten suchen ein Zuhause
An der Uni beginnt das Wintersemester, auf dem Wohnungsmarkt ist es eng. Drei Studenten haben eine Bleibe gefunden — Stoff für eine Daily Soap.
Düsseldorf. Küche? Fehlanzeige. Renovierung? Aber ja! Student? Lieber nicht. Als Marcel Strothmann beginnt, sich nach einer Wohnung umzusehen, weiß er: Es wird schwierig. Der 27-Jährige ist gebürtiger Düsseldorfer und studiert jetzt Germanistik und Geschichte an der Heinrich-Heine-Universität. Bilk steht ganz oben auf seiner Wunschliste. Jedoch gibt es weder dort noch anderswo eine bezahlbare Bleibe für ihn. „Ich habe anfangs darüber nachgedacht, mit einem Bekannten eine WG zu gründen. Aber das passte mentalitätstechnisch nicht. Er ist kein Rheinländer.“
Knapp 30 Wohnungen schaut er sich an, meist renovierungsbedürftig. 480 Euro für 45 Quadratmeter, eine Küche müsste er einbauen. Vielleicht doch lieber ins Studentenwohnheim? Strothmann winkt ab: „Hab’ ich versucht, aber es dauert Monate, bis man dort einen Platz bekommt.“
Er finanziert sich komplett allein, hat einen Studienkredit aufgenommen und arbeitet neben dem Studium 20 Stunden pro Woche als Page in einem Hotel. „Im Monat habe ich 800 bis 1000 Euro.“ Für Miete, Essen, Ausgehen und für die Krankenversicherung, die er seit zwei Jahren selbst trägt.
Er verlegt seine Wohnungssuche von Düsseldorf nach Neuss und schließlich nach Wuppertal. Im Stadtteil Elberfeld hat er nach nur einem Monat Erfolg: 385 Euro warm für 52 Quadratmeter. Keine Maklerprovision, zwei Monatsmieten Kaution. „In Düsseldorf waren es immer drei Monatsmieten.“ Der Hauptbahnhof ist nah und Strothmann in knapp einer halben Stunde an der Heine-Uni. Die Entscheidung für Wuppertal, meint er, sei eine rein praktische gewesen. „Ich bin nur zum Schlafen dort. Mein Lebenszentrum ist Düsseldorf.“
Patricia Nauman kommt 2008 von Jena nach Düsseldorf, um Linguistik zu studieren. Um eine Wohnung muss sie sich zunächst nicht kümmern, sie zieht zu ihrem Freund nach Lörick. Neun Monate lebt das Paar auf 36 Quadratmetern, es gibt eine Badewanne, aber kein Waschbecken. In Derendorf findet es etwas Neues: 74 Quadratmeter auf der Rather Straße, 900 Euro Provision, drei Monatsmieten werden fällig, 600 Euro warm, Strom nicht mitgerechnet, zahlen die jungen Leute monatlich. Nach einem Jahr trennen sich die Studenten. Beim Auszug sehen sie von der Kaution keinen Cent. „Angeblich haben wir die Fenster nicht geputzt, das würde jetzt eine professionelle Reinigungsfirma übernehmen und die müssten wir bezahlen.“ Einem Prozess fühlen sich die jungen Leute nicht gewachsen.
Die 23-Jährige beschließt, mit drei Freundinnen in eine WG zu ziehen. „Aber Studenten-WGs sind in Düsseldorf nicht gerade beliebt. Überhaupt werden Studenten nur selten zu einer Wohnungsbesichtigung eingeladen.“ Für sie bleibe unterm Strich nur ein kläglicher Rest — mit Nachtspeicher, Moos an Fensterrahmen, Zimmer mit Würstchengeruch und ohne Heizung. „Wenn man solche schäbigen Buden sieht, fragt man sich, ob sich Vermieter alles erlauben dürfen.“
Rasch lernen die Studentinnen, dass bei Angeboten mit besonders hübschen Fotos auch besonders viel Skepsis angebracht ist. „Das waren Appartements in ab—strusen Gegenden, für welche man vorab Geld auf ein Konto in England überweisen sollte.“ Jetzt wohnt Patricia Naumann, die neben ihrem Studium als Texterin und Uni-Tutorin arbeitet, in Bilk. Fünfte Etage ohne Aufzug. Für ihr WG-Zimmer zahlt sie 315 Euro warm im Monat. „Das ist okay, ich bin zufrieden.“
Als die Hausmeisterin Marcel Scheeren die Wohnung an der Sonnenstraße in Oberbilk zeigt, schämt sie sich. „,Es ist mir peinlich, Ihnen so etwas zu anzubieten’ — das hat sie wortwörtlich zu mir gesagt.“ Die Wohnung ist gut 30 Quadratmeter groß und soll 320 Euro kosten. „Die Wände waren gelb, in der leeren Küche gab es ein großes Loch in der Wand und Schimmel, die Toilettenschüssel war schwarz vor Dreck.“ Dass der Student entsetzt ablehnt, kann die Frau verstehen.
Marcel Scheeren stammt aus Viersen. In Aachen studiert er für einige Semester Ingenieurwesen. „Aber ich wollte viel lieber Geschichte machen.“ Der 25-Jährige wechselt an die Heine-Uni und sucht ein ganzes Jahr lang nach einer Wohnung. Dabei begegnen ihm 350 Euro für 23 Quadratmeter, 250 Euro für 50 Quadratmeter in Heerdt mit Brikett-Ofen; viele Wohnungen sind schmutzig, unaufgeräumt und unrenoviert. Nein, das sei nicht Sache des Vermieters, heißt es fast immer. Natürlich habe er auch Wohnungen angeschaut, die ihm gefielen, sagt Scheeren. „Aber dort lag dann ein riesiger Stapel an Bewerbungen, da hat man als Student keine Chance.“
Er zieht wieder zu seinen Eltern in Viersen. Zwei Stunden braucht er bis zur Uni in Düsseldorf. „Es gibt nur einen Zug, der durchfährt.“ Wohnungsrecherchen, Studium, die lange Fahrtzeit — seine Freunde sieht er kaum noch. „Ich war regelrecht verzweifelt.“ Dann erreicht ihn die Mail einer Freundin aus Düsseldorf: „In unserer WG wird ’was frei! Interesse?“ Scheeren greift zu.
Seit Januar lebt er mit zwei Mädchen und einem Jungen in einer Altbauwohnung an der Worringer Straße. Sein Zimmer ist 25 Quadratmeter groß, er zahlt 230 Euro im Monat — Strom, Heizung, Internet inklusive. Glücklich ist er aber nicht. „Ich wollte nie in eine WG, zumal sich jetzt bestätigt, was ich immer befürchtet habe: Man hat nie seine Ruhe.“ Die Suche geht weiter.
Serie im Netz: wz-duesseldorf.de