Wo Jan Wellem lustwandelte
Ein Stadtteil, der zwar klein, aber fein ist. Hier gibt es sogar eine Villenkolonie.
Düsseldorf. Mit dem Stadtteilnamen Grafenberg verbinden die Düsseldorfer die schönsten Flecken der Stadt. Etwa den Grafenberger Wald mit dem Wildpark und der Galopprennbahn, die jedoch in Ludenberg liegen. Selbst das Landeskrankenhaus liegt nur irrtümlich in Grafenberg. Und wer die Grafenberger Allee in ihrer vollen Länge nach Grafenberg schlägt, bekommt es mit den Menschen aus Flingern zu tun. Nur ein Zipfel zwischen Metro und Staufenplatz an der Grafenberger Allee ist tatsächlich Grafenberger Gebiet.
Die Grafenberger leben klein, fein und schön an der nördlichen Düssel, in der Ostparksiedlung rund um den Teich oder am Staufenplatz.
Ein nördlicher Zipfel führt bis zum Mörsenbroicher Weg, biegt dann nach Süden zur Lenaustraße und führt im spitzen Dreieck über Graf-Recke-Straße und Vautierstraße zurück zur Simrockstraße und zum Staufenplatz. Mit knapp einem Quadratkilometer ist der Stadtteil ein Winzling am Fuß des Bergischen Landes, nur Carlstadt und Altstadt sind kleiner.
Rund 5500 Menschen leben hier gern, denn störendes Gewerbe gibt es so gut wie gar nicht. Dafür viel Grün, vor allem in der Ostparksiedlung. Und wo das Grün nicht direkt zum Stadtteil gehört, so liegt es dennoch nicht weit entfernt. Der Grafenberger Wald lässt grüßen. Er bildet mit dem angrenzenden Aaper und Gerresheimer Wald ein großes, zusammenhängendes Waldstück.
Mit sanften Schluchten und Hügeln. Das ideale Erholungsgebiet für die Städter, mit Esskastanien, Stechpalmen, Roteichen, Schein-Akazien und Birken. Die zahlreichen Grünanlagen, die abwechslungsreiche und großzügige Bebauung, viele Sportanlagen sowie die relative Nähe zur Innenstadt und zu attraktiven Arbeitsplätzen machen den Stadtteil zu einer begehrten Wohnlage.
Der ganze Stolz aber liegt am Rande des Waldes, an der Ernst-Poensgen-Allee, in jener Brunnenanlage, die Philipp Wilhelm, Jan Wellems Vater, 1702 neu fassen ließ. Jan Wellem aber war vom Heilwasser aus dem Grafenberg so überzeugt, dass er damit sogar seinen Wein verdünnt haben soll.
Seitdem suchen die ehrenamtlichen Bodenarchäologen Gaby und Peter Schulenberg mit befreundeten Bodendenkmalpflegern nach alten Scherben. Der Bürgerverein Grafenberg unterstützt sie nach bestem Wissen und Gewissen. Der Brunnen wurde von der alles überwuchernden Natur zurückerobert. Die zehn Obelisken stehen wieder wie in alten Zeiten. Die Drainageleitung ist angeschlossen, nur leider sickert das Wasser aus dem Grafenberg wieder durch die Natursteinverkleidung.
Dieses Problem ist noch immer nicht behoben. Der Förderkreis Jan-Wellem-Brunnen sucht mit seinen 50 Mitgliedern weiterhin nach Sponsoren.
Mit gelbem Sand wurde einst das sumpfige Gelände westlich der heutigen Ernst-Poensgen-Allee aufgefüllt. Der Sandhang lang oberhalb der Jan-Wellem-Quelle im Bereich des „Lustgartens“ am Grafenberge. Er diente der Bevölkerung im Zweiten Weltkrieg als Schutzort. Die Erdbunker wurden in den lockeren Sandhang getrieben, Stollen mit Betonfertigteilen in Rahmenkonstruktion stabilisiert. Teile davon stecken noch heute im Erdreich.
Bei den Bombenangriffen in den 40er Jahren, die den Kasernen und Rüstungsfabriken in Rath galten, fiel ein Bombenregen auch in den Grafenberger und den Aaper Wald. Grafenberg selbst aber blieb von Kriegsschäden weitgehend verschont, so dass die Gründerzeitbebauung sowie zahlreiche Gebäude aus den 1920er und 1930er Jahren erhalten blieben.
Vor allem die Woker’sche Villenkolonie (westlich Staufenplatz, nördlich Grafenberger Allee, vor allem Burgmüllerstraße) ist beliebt. F. R. Woker & Sohn waren Projektentwickler. Sie machten eine städtebauliche Planung und verkauften 300 Baustellen, damit sich der Mittelstand ein Häuschen hinsetzen konnte. 300 bis 900 Quadratmeter groß waren die Parzellen.
Viele Häuser sind längst umgebaut, so dass nicht der Gesamtkomplex unter Schutz steht, sondern nur einzelne Häuser Denkmäler sind. Denkmalschützer Jörg Heimeshoff preist den Bestand als ein „besonders hervorragendes baugeschichtliches Beispiel für eine Villen- und Landhauskolonie der Jahrhundertwende.“ Das Haus Burgmüllerstraße 20 etwa hat sein Vorbild im linksrheinischen Düsseldorf, denn die Grafenberger konkurrierten in der Schönheit ihrer Bauten mit den Oberkasselern.
Hier wie dort waren verschiedene Architekten tätig. Sie schufen im Sinne der romantischen Architekturausrichtung des ausgehenden 19. Jahrhunderts jeweils „Landhäuser mit Garten“ im Stil des Historismus. Dächer, Giebel und Türme sowie die Bauausführung vermitteln den Eindruck von Individualität, Wohlstand und Qualität. Die Schmuckelemente blieben zurückhaltend.