Fahrräder Ali Kocaslan: Ein Schrauber mit kühnen Träumen
Ali Kocaslan repariert an der Saumstraße kostenlos die Fahrräder der Kinder aus der Nachbarschaft.
Krefeld. Der Mann hat die wohl originellste Werkstatt in Krefeld. Und mit Ali Kocaslan werkelt ein echtes Original hinter dem Bahndamm an der Saumstraße. Die Werkstatt ist eine drei Mal fünf Meter große Garage neben dem leicht verkommenen Wohnhaus mit der Nummer elf. Schräg gegenüber ist der Südbahnhof einer der Nachbarn.
Es ist ein atemberaubendes Sammelsurium aller denkbaren Fahrradteile, die er hier im Laufe der Jahre angesammelt hat — Fahrradschläuche, -mäntel, -räder, -ketten-, lenker-, rahmen, -dynamos stapeln sich. Bewegen kann sich Ali Kocaslan in der Garage nicht mehr. Seine Werkbank hat er inzwischen auf dem Bürgersteig davor eingerichtet.
Arkadius Kaluzny ist einer seiner Kunden. Sein Fahrradsattel muss verstellt werden. „Ich komme immer hierher zu Ali, wenn was mit meinem Rad nicht stimmt“, sagt der Mann von der Garnstraße, nicht weit von hier. Ali sei geschickt im Umgang mit den Rädern und er nehme nur kleines Geld für seine Reparaturen. Nur viel Zeit müsse man mitbringen, weil Ali immer ganz viel zu erzählen habe.
Für Kinder aus der Nachbarschaft legt er sogar kostenlos Hand an. „Das ist hier ja ein Viertel, wo die Leute nicht das große Geld haben“, sagt Kocaslan. Und für Kinder hat der Mann mit den kurzen weißen Haarstoppeln ein besonderes Herz. Fragen nach seiner Familie weicht er aus. Ja, meint er, er habe einen erwachsenen Sohn, der allerdings zurückgegangen sei in seine alte Heimat.
Ali wohnt heute allein in dem ziemlich schäbigen Gebäude. Im Fenster im Erdgeschoss blickt ein riesiger Plüsch-Löwe auf die Straße, daneben grüßt ein Holz-Papagei die Passanten. Zwischen neun und zehn Uhr öffne Ali seine Werkstatt, an Wochentagen und gegen fünf schließt er sie wieder. Wenn es sehr kalt sei, mache er auch schon mal früher Schluss.
Seit 46 Jahren lebt der gelernte Dreher in Krefeld. Er kam damals als Gastarbeiter aus Gaziantep in Südostanatolien, nicht weit von der Grenze zu Syrien. Er war damals jung, 26 Jahre alt. In der Waggonfabrik in Uerdingen (Düwag) baute er mit an Schienenfahrzeugen unterschiedlichster Art. Später, 1989, wurde dort Siemens sein Arbeitgeber.
Gesundheitlich gehe es ihm gut, sagt der 72-Jährige. Er gehe gerne spazieren und fahre mit dem Rad. Nachgelassen hätten aber seine Augen. Die aber ganz flink blitzen, wenn er von seinen Plänen mit der benachbarten Fahti-Moschee spricht. Die will angeblich umziehen von der Nummer 84 in ein neues Gebäude. Ein Zentrum für Musik und Kultur will Ali Kocaslan dort aufziehen. Ein Treffpunkt für Jung und Alt, für Geburtstage, Verlobungen und Hochzeiten könne es werden mit ganz viel Licht und großen Lautsprecherboxen.
Nur einen Architekten hat er noch nicht gefunden. Und Geld bleibt von seinen rund 1000 Euro Rente auch nicht übrig. Aber man müsse schließlich doch träumen dürfen, lacht der Mann, der dann den Fahrradsattel festschraubt.