Boxen: Die weibliche Schlagkraft
Derya Saki und Syuzana Martirosyan steigen an der Tannenstraße in den Ring. Angst vor Schlägen haben sie nicht – nur vor der Niederlage.
Krefeld. Es ist der charakteristische Soundtrack aus "Rocky", der durch die Sporthalle des Boxcenters an der Tannenstraße schallt. Doch nicht etwa Sylvester Stallone ballt hier im Ring seine Fäuste, sondern Derya Saki und Syuzana Martirosyan. Die jungen Frauen sind momentan die einzigen weiblichen Mitglieder des Clubs - bei zirka 160 männlichen.
"Die Führhand nach vorne, einen Schritt zurück und wieder rein", kommandiert Manfred Faber, Inhaber der Boxschule und Trainer der Mädchen, in zackigem Ton die sogenannte Partnerübung, eine Vorstufe des Sparring-Kampfes. "Die beiden müssen Distanz gewinnen, erstmal das Gefühl für den Gegner lernen", erklärt er. Da in der Boxstunde aber auch der Spaß nicht zu kurz kommen soll, packt der 45-jährige ab und an gereimte Weisheiten aus, wie die über die nötige Handstellung: "Eine schlägt und eine deckt, sonst werdet ihr vom Arzt geweckt."
Eigentlich hatte die 17-Jährige Derya mit Sport nie viel am Hut. Dass die 11-Klässlerin im Mai dieses Jahres dennoch den Weg zum Boxen gefunden hat, ist eigentlich ihr Bruder schuld, der ebenfalls an der Tannenstraße die Fäuste geschwungen hat. "Das hat mich so interessiert, dass ich mal mitkommen wollte. Als mein Bruder dann sagte, dass ich das sowieso nicht schaffen würde, hat mich die Sache noch mehr gereizt." Bei der zwei Jahre älteren Syuzana war es die Profiboxerin Susianna Kentikian, die in ihr die Leidenschaft für den Faustkampf geweckt hat. "Außerdem ist Kentilan Armenierin, wie ich auch."
Seit einem Jahr kommt die 19-jährige jetzt zwei Mal wöchentlich zum Boxtraining. "Einen richtigen Kampf können die Mädchen frühestens bestreiten, wenn sie die sogenannte Boxgrundschule abgeschlossen haben", erklärt Manfred Faber. Doch gerade darauf, aufs echte Kämpfen, scheinen die Mädchen heiß zu sein. Angst haben die beiden davor schon, aber nicht etwa vor den harten Hacken, Punches und Jabs. "Ich habe Angst davor zu verlieren", gibt Derya zu. "Ich möchte meinen ersten Kampf unbedingt gewinnen."
Nach den Partnerübungen im Ring steht den beiden die Erschöpfung ins Gesicht geschrieben. Allerdings ist ihr innerer Zustand das genaue Gegenteil des äußeren. "Nach dem Training fühlt man sich erleichtert, und alle Aggressionen sind abgebaut", sagt Martirosyan. Die Reaktionen, die der 19-Jährigen entgegengebracht werden, wenn sie ihren Mitmenschen von ihrem Boxtraining erzählt, sind unterschiedlich. Von ihrer Arbeit in einer Restaurantkette berichtet sie: "Immer wenn ein unfreundlicher Gast kommt, rufen die Kollegen belustigt nach ,Susi der BoxerinQ."
Dass Boxen bei Mädchen immer beliebter wird, ist Trainer Faber, der bald das Projekt "Give girls a dream" starten wird, schon lange aufgefallen. "Sicherlich hängt das auch mit der zugenommenen Fernsehpräsenz von Boxerinnen zusammen." Im weiblichen Boxsport sei die Karriereleiter momentan einfacher zu erklimmen als bei den Männern. "Beim Frauenboxen ist noch nicht alles so überlaufen, wie es bei den Herren der Fall ist."
Das Projekt Manfred Faber hat in seiner Boxschule "South Side Boxing Gym" das Projekt "Give girls a dream" geplant . Hier sollen polizeilich auffällig gewordene Mädchen an den Boxsport herangeführt werden. Beginnen kann das Projekt, sobald genügend Teilnehmerinnen gefunden sind.
Ziel Angestauter Frust und Aggressionen der Mädchen sollen im Boxtraining abgebaut werden. Bei sichtlicher Begabung und Motivation winkt den Mädchen Förder- oder gar Profivertrag.
Kontakt Infos gibt es bei Manfred Faber, Ruf 36 30 30