Stil: Im Schlabber-Look zur Hochzeit?
Die Modenschau ist gerade vorbei, da hat sich die WZ einmal umgeschaut, wie es die Krefelder mit dem Dress-Code halten.
Krefeld. Neulich, bei einer Hochzeit im August, war nur ein einziger Hut im Kirchenschiff zu sehen, den trug die Mutter der Braut. Eine Hochzeit ohne ein Meer von Hüten, das gab’s früher nicht. Auch am Standesamt in der Krefelder Innenstadt kann man sehen, wie locker die Kleidung bei Familienereignissen gewählt wird. Da warten junge Männer in karierten Jacken, kleine Mädchen in Jeans oder Damen mit enormen Dekolletes auf die Jungvermählten. Selbst beim Brautpaar ist erlaubt, was gefällt: die ganze Farbpalette des Regenbogens scheint da auf. Überhaupt, die Familienfeste:
Eltern bringen ihre Kinder im Strampler zur Taufe; Hochzeiten werden nur noch selten in jungfräulichem Weiß begangen (Kunststück bei dem um sich greifenden Familien-Patchwork). Selbst am Grab ist Trauerkleidung kein Muss mehr, neulich wurde in einer Anzeige sogar ausdrücklich darum gebeten, auf Schwarz zu verzichten.
Erlaubt ist, was gefällt - jede Festgesellschaft kann da ihre eigenen Normen aufstellen. Genauso verhält es sich im Freizeitbereich, wo das Lässige triumphiert. Wer sich aufbrezelt, verlässt die Norm und ist einfach overdressed. Falsch ist es natürlich, das allzu Lässige in den beruflichen Sektor hinüberschwappen zu lassen. In diesem Sommer konnte man beispielsweise an einem heißen Tag im Wartezimmer einer Behörde die Achselhemden sehen und leider auch riechen, die sonst ihr unsichtbares Dasein unter einem Oberhemd fristen. Da hat einer nicht gewusst, dass Kleidung immer auch den anderen betrifft, der sie anschauen muss. Aber vielleicht war es gerade das: Schaut her, ich bin arm dran und kann mir nicht mal Geschmack leisten. Sanktionen gibt es hier nicht, nur ein Naserümpfen.
Ganz anders in der Berufswelt. Hier herrschen Richtlinien, die auch formuliert werden. In vielen Berufen gibt es Uniformen, etwa bei der Polizei, der Feuerwehr, vor Gericht oder bei den Dienstleistungen. Der weiße Kittel des Arztes ist aber auch nicht mehr in jeder Praxis Usus. Im Büro trägt der Mann einen Anzug, die Dame Kostüm oder Hosenanzug. Krawatte ist nicht mehr überall Pflicht; bloße Beine oder strumpflose Füße sind bei beiden Geschlechtern verpönt. Und auch den Haarwuchs, außer am Haupt, möchte man gar nicht sehen.
Je finanzstärker übrigens die Kundschaft, desto feiner die Bürokräfte. Der Privatbanker trägt für seine bestbetuchte Kundschaft Hemd mit Manschettenknöpfen, Krawatte und einen dunklen Nadelstreifenanzug mit Weste.
Der Dress-Code ist gleich beim Eintritt in die Arbeitswelt wichtig: Wer mit abgelaufenen Absätzen oder gar ungeputzten Schuhen zum Bewerbungsgespräch antritt, hat schon verloren. Bei Zweifeln hilft Knigge, denn der ist auf dem neuesten Stand.
Und dann gibt es noch das weite Feld der unausgesprochenen Kleidungsvorschriften. Haben Sie mal eine ganze Oberstufe im Schulkonzert des Stadttheaters gesehen: Nur Jeans! Und da sage noch einer, es gebe keine Schuluniformen. Was die Jugend in die Disco oder zum Abhängen trägt, muss sie sich an Ort und Stelle abgucken; einschlägige Magazine veröffentlichen hier schon mal ihre Vorstellungen zu dem, was wirklich cool ist. Bei gesellschaftlichen Veranstaltungen gibt es einen eher unausgesprochenen Dresscode, der sich auch wieder regional unterscheidet. In Bayreuth oder Salzburg etwa geht man nur in lang in die Oper; in Krefeld waren bei der jüngsten Opernpremiere zur Spielzeiteröffnung nur ganz wenige Damen in langen Kleidern. Gut angezogen waren die allermeisten, und wer weiß, wer alles gesagt hat: "Ich weiß nicht, was ich anziehen soll."