Clueso-Interview: „Im Rausch geht viel verloren“
Mit Clueso kommt morgen einer der größten deutschen Popstars nach Krefeld. Ein Gespräch über Fehler und Sehnsüchte.
Krefeld. Eine volle Dekade ist Clueso nun bereits als Künstler aktiv. Zehn Jahre, in denen er vom unbedarften Rapper aus Erfurt zu einem der wichtigsten Figuren in der deutschen Popmusik-Szene aufgestiegen ist. Seine Fans erleben ihn morgen in der Kufa — das Konzert ist seit langem ausverkauft. Mit der WZ spricht Clueso über Verlust, Perfektionismus und goldene Käfige.
Die erste Single Ihres neuen Albums heißt „Zu schnell vorbei“. Sind Sie ein Nostalgiker?
Clueso: Das würde ich so nicht sagen, aber natürlich bin ich mittlerweile in einem Alter, in dem man auf etwas zurückblicken kann. Der Song ist aber eher ein Appell an mich selbst, auch mal den Weg einer Reise zu genießen und nicht bloß immer auf die nächste Lichtung zu warten.
Demnach war die Produktionsphase anstrengend.
Clueso: Das kann man so sagen, ja. Ich versuche eben, mich mit jedem Album neu zu erfinden, und das wird von Mal zu Mal schwieriger. Man stößt an Grenzen und Mauern, die es einzureißen gilt. Und das kostet wahnsinnig viel Kraft. Anstrengend ist dabei das Feilen und Festigen von Ideen, damit sie eine lange Halbwertszeit haben. Hinzu kommt: Wenn ich merke, ein Song klingt zu gut, ist er für mich nicht mehr perfekt.
Das klingt nach einer merkwürdigen Form von Perfektionismus.
Clueso: Mag sein. Aber die Songs sollten nicht einfach so dahinplätschern, sondern Fragen aufwerfen. Ein Lied muss immer lebendig und angreifbar bleiben. Es darf seine Leichtigkeit nicht verlieren, denn sonst geht das Gefühl verloren, und das wäre fatal.
In „Ich bin fürs Rollen“ fällt der Satz: „Lass uns nicht sicher sein.“ Haben Sie Freude am Ungewissen?
Clueso: Absolut. Und das kann die Leute um mich herum schon mal in den Wahnsinn treiben. Denn wenn mir bestimmte Dinge zu sicher erscheinen, kann es schon mal passieren, dass ich sämtliche Seile kappe und tragende Säulen umtrete, damit es mal wieder ein bisschen wackelt.
Das klingt unvernünftig.
Clueso: Oft ist es das auch, aber es gibt mir ein Gefühl von Lebendigkeit. Wir haben nur eine begrenzte Zeit auf diesem Planeten, und die möchte ich mir gerne so aufregend wie möglich gestalten. Als Musiker ist das Leben mit Aufnahme-Sessions, PR-Terminen und Auftritten eh durchgeplant genug, so dass privat wenig Zeit bleibt für Spontaneität.
Dann fühlen Sie sich manchmal wie im goldenen Käfig?
Clueso: Ab und an ist das so. Man muss einfach aufpassen, dass man weiterhin an den Leuten dranbleibt und als Künstler nicht in irgendwelche Parallelwelten abdriftet. Meine Freunde versuchen zwar so gut es geht, mich davor zu beschützen, aber trotzdem muss ich in diese Schutzmauern auch manchmal kleine Löcher schlagen, um den Bezug zum wahren Leben nicht zu verlieren.
Glauben Sie, Sie sind mit der neuen CD bei sich angekommen?
Clueso: Ich habe letztens ein sehr schönes Kompliment von jemandem bekommen, der mir nahe steht. Der meinte, dass sich bei dieser Platte kein Gefühl des Gefallen-Wollens einstellt, sie sehr nah an mir dran wäre. Das fand ich schön, denn das Gefühl habe ich auch. Ich höre auf der Platte mehr Thomas Hübner (Cluesos wirklicher Name) als Clueso.
War das denn Ihre Absicht?
Clueso: Ich wollte auf der Platte zumindest mehr Thomas Hübner sein als sonst. Denn immerhin habe ich die letzten zehn Jahre komplett in dieses Projekt investiert, war zu 150 Prozent Clueso und da ist Thomas Hübner oft ein bisschen zu kurz gekommen. Als Künstler befindet man sich nun mal in einer Art Geschwindigkeitsrausch, in dem vieles verloren geht. Mir hat das zum Glück nie jemand übel genommen, aber ich weiß selbst, dass ich mehr darauf achten muss.