Benefiz-Fußballspiel Die Geschichte der lächelnden Kämpferin

Krefeld. Maria sitzt am Gartentisch, rollt eine Schnecke aus gelber Knetmasse, danach formt sie eine Brille daraus. „Guck mal, Papa“, sagt Maria, setzt sich die Brille aus Knete aufs Gesicht und Papa Reiner Blome lacht.

Benefiz-Fußballspiel: Die Geschichte der lächelnden Kämpferin
Foto: Andreas Bischof

Dann wird er wieder ernst. Maria knetet weiter, hört den Erwachsenen bei ihrem Gespräch zu. Es geht um sie.

Maria geht jetzt in die erste Klasse, „sie ist ehrgeizig in der Schule“, darauf ist Mama Andrea stolz. Der Klassenlehrer sagt, wenn es etwas zu meckern gäbe, dann nur, dass dem Mädchen „ein bisschen das Kindliche fehlt. Sie ist nachdenklicher als andere Siebenjährige.“

Maria hat in ihrem jungen Leben schon viel durchgemacht. Bald fünf Jahre ist es her: An den 17. Juli 2011 erinnert sich Reiner Blome als wäre es gestern gewesen, „da sind wir mit Maria ins Krankenhaus gefahren, weil sie hohes Fieber hatte. Zurück nach Hause kamen wir mit der Diagnose Leukämie.“

Weil ihre zweijährige, quirlige Tochter plötzlich blass, appetitlos und immer müde ist, „einfach keinen Zunder mehr hatte“, gehen Andrea und Reiner Blome von einem Virus aus. Aber Krebs? „Nein, das kann nicht sein, nicht unser Kind“, sei ihr erster Gedanke an diesem Julitag vor fünf Jahren gewesen, erinnert sich Reiner Blome. Drei Tage später bekommt die kleine Maria ihre erste Chemotherapie. „Das rote Gift“ sagt ihr Vater fortan dazu.

Sechs Wochen muss sie im Krankenhaus bleiben, ihre Mutter ist Tag und Nacht bei Maria, der Vater mit dem älteren Bruder zuhause. „Andrea hat als Mutter funktioniert. Aber ich habe mit allem gehadert, wollte das nicht wahrhaben“, sagt Reiner Blome. „Im Krankenhaus habe ich den Clown gespielt, zuhause pausenlos geweint.“

Die Verzweiflung seines Vaters macht auch dem damals neunjährigen Fabian zu schaffen. „Mein Sohn hat zu mir gesagt: ,Du bist doch mein Vater, du kannst doch nicht immer weinen’“, sagt Reiner Blome. Heute kämpft der 14-Jährige mit den Tränen, wenn seine Eltern von der schlimmen Zeit und der Krankheit seiner Schwester erzählen. Aber sich von Mama Andrea trösten lassen? Das will Marias großer Bruder nicht.

Auf dem Tisch liegt ein Fotoalbum. Es ist ein Tagebuch, das die wohl schwerste Zeit im Leben der Familie Blome in Bildern dokumentiert: Maria in ihrem Kinderwagen, im Krankenhausbett, Maria mit einem Eis in der Hand oder ihrem Bruder im Arm, Maria mit von der Chemo ganz aufgedunsenem Gesicht — und mit Glatze. Eins haben alle Aufnahmen gemein: Maria lacht. „Nach der ersten Zeit im Krankenhaus kam auch ihre Lebensenergie wieder“, erinnert sich Andrea Blome. „Maria ist eine Kämpferin“, sagt ihr Vater, „sie ist die Stärkste in unserer Familie.“

Als die Haare ihrer Tochter durch die Chemo immer dünner werden, rasiert Andrea Blome sie ab. Maria ist zufrieden — jetzt sieht sie aus wie ihre Freundin aus dem Krankenhaus.

Ihr Vater ist geschockt. „Jeden Tag Angst haben zu müssen, sein Kind zu verlieren, das frisst einen auf.“ Am 18. Mai 2012 — auch diesen Tag wird Reiner Blome wohl nie vergessen — erreicht diese Angst ihren Höhepunkt. „Ich war morgens zum Einkaufen auf dem Markt“, erzählt er, als sein Handy klingelt.

Fabian ist dran und sagt: „Komm nach Hause, Maria stirbt!“ Kurz zuvor war seine Tochter plötzlich zuhause im Wohnzimmer zusammengebrochen und mit einem Krampfanfall ins Krankenhaus gekommen. Den Grund dafür kennen die Blomes bis heute nicht mit Sicherheit, die Ärzte vermuten aber, dass Marias kleiner Körper eines der vielen Medikamente nicht vertragen hat.

An der Wand, direkt über der Wohnzimmertür, hängt ein Bild. Ein rotes Herz ist darauf, zusammengesetzt aus den Klickverschlüssen jeder einzelnen Spritze, mit der Maria in den vergangenen Jahren ihre Chemo bekommen hat. Daneben haben die Schwestern und Ärzte der Kinderonkologie unterschrieben. Am 20. Juli 2013 — genau zwei Jahre, nachdem Maria ihre erste Chemo bekommen hat — endet die Therapie. Maria ist gesund.

Die Leukämie gehört auch heute, fast drei Jahre später, noch zum Leben der Familie. „Es gibt vielleicht Menschen, die wollen mit der Krankheit nichts mehr zu tun haben, wenn der Krebs besiegt ist, das kann ich auch verstehen“, sagt Reiner Blome. Aber ihm und seiner Frau habe diese schwere Zeit gezeigt, „wie schnell alles vorbei sein kann“. Der Gedanke daran, er lässt den 44-Jährigen bis heute nicht los. Er schläft schlecht.

Sein Arzt rät Reiner Blome, sich eine Ablenkung zu suchen, irgendetwas, das ihm Spaß macht. Vielleicht Fußball? Er wird Trainer beim SV Oppum — und entwickelt die Idee eines Benefizfußballspiels, mit dem er etwas an den Förderverein zurückgeben will, der seine Familie in der schwersten Zeit ihres Lebens finanziell unterstützt hat. Dass Maria bei diesem Spiel am Samstag ihre neuen knallgelben Fußballschuhe einweihen kann — „das ist alles, was zählt“.