Krefeld Altersarmut: Ein Leben mit Entbehrungen

Für viel reicht es nicht in Günter Brügges Ruhestand. Aber der selbstständige Grafiker hat sich mit seiner Situation arrangiert.

Foto: Dirk Jochmann

Krefeld. Günter Brügge hat seine Ansprüche so weit heruntergeschraubt, dass er mit seinen monatlichen Einnahmen auskommt. Der Sozialhilfeempfänger findet, er habe noch Glück, da er weder raucht noch trinkt, vegetarisch lebt, keinen Fernseher braucht und genügend Kleidung aus finanziell besseren Tagen besitzt. Dennoch hat der 65-Jährige oftmals Angst vor der Zukunft. Falls Dinge passieren, die er nicht beeinflussen kann. „Ich habe Grafik- und Industriedesign studiert und danach freiberuflich gearbeitet“, erzählt der 65-Jährige.

„Als mein Hauptkunde wegbrach, hatte ich nicht mehr genügend Aufträge und musste mich arbeitslos melden.“ Eine ganze Reihe von Bewerbungen brachte keinen Erfolg.

Brügge konnte die Miete für seine 90 Quadratmeter große Wohnung nicht mehr bezahlen, bekam finanzielle Probleme und musste Privatinsolvenz anmelden. „Ich habe zu wenig in die Rentenkasse gezahlt. Ich war in der Künstlersozialkasse und habe anhand der Arbeitslage eingezahlt, das war zu wenig. Ebenso ist es mit der Zusatzversicherung, sie ist zu klein.“

Heute sieht seine finanzielle Situation folgendermaßen aus: Er bekommt 522 Euro Rente, bezieht 90 Euro aus der Zusatzversicherung und 207 Euro kommen von der Stadt. Von den insgesamt 819 Euro bezahlt er 400 Euro Miete für seine neue Wohnung, die 60 Quadratmeter hat. 30 Euro bezahlt er für Strom und etwa 70 Euro für das Bärenticket des Verkehrsverbundes.

„Die Fahrkarte leiste ich mir, damit ich nicht vereinsame“, sagt Brügge. Die Zugfahrten am Niederrhein würden den Rentner von seiner Einsamkeit ablenken. „Ich bin immer alleine, Frau und Kinder habe ich nie gehabt“, sagt der 65-Jährige.

Dafür kauft er im Lebensmittelgeschäft nur dann, wenn es billig ist: vor dem Wochenende und zu stark herabgesetzten Preisen. „Mit den fehlenden Finanzen kamen psychische Probleme“, berichtet er weiter.

Sie waren für ihn Fluch und Chance zugleich, denn das Arbeitsamt gestattete ihm eine Ausbildung zum Genesungsbegleiter für Menschen mit ähnlicher Erkrankung. „Es ist immer besser, mit jemandem zusammen zu sein, der sich auskennt“, weiß der 65-Jährige.

Kontakte zu anderen Leuten zu finden, sei schwierig: „Die Arbeitslosen untereinander haben ein großes Konkurrenzdenken.“ Brügge möchte gerne als Grafiker oder als Genesungsbegleiter arbeiten, doch passende Angebote lassen auf sich warten.

Jetzt engagiert er sich ehrenamtlich in einer Selbsthilfegruppe. Im Arbeitslosenzentrum gestaltet er ohne Entgelt die hauseigene Zeitung und Broschüren. Theaterbesuche, neue Bücher, ein ordentliches Handy oder die ersehnte Fahrt nach Berlin kann der 65-Jährige sich nicht leisten. „Ich habe mich in meinem Leben nicht richtig beraten lassen“, sagt er rückblickend.

„Jetzt ist es zu spät. Oder doch nicht“, verbessert er sich. „Aus der finanziellen Misere komme ich wahrscheinlich nie mehr heraus, aber ich habe gelernt, mich durchzusetzen, auf mein Recht zu pochen und die Ellbogen zu gebrauchen. Ich kämpfe, sonst habe ich verloren.“