Flachsmarkt: Ein mittelalterliches Fest der Sinne

Am sonnigen Pfingstfest strömten 40.000 Besucher nach Linn. Das Treiben blieb von Unwettern verschont.

Flachsmarkt: Ein mittelalterliches Fest der Sinne
Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Krefeld. Auch noch im 39. Jahr seines Bestehens stehen die Linner lächelnd in ihrer Haustüre und freuen sich auf den Flachsmarkt. Sie winken dem Festzug samt Schirmherren zu. Er wird traditionell per Pferdewagen zur Eröffnung der Veranstaltung auf der Vorburg gefahren. Dafür wurden Nils und Eric, die bayrischen Kaltblüter, samt ihrer Festtagsgeschirre blank geputzt. Herausgeputzt haben sich auch viele Besucher, die in mittelalterlichen Samt-Gewändern und Kopfbedeckungen über das Gelände flanieren. Es ist ein Trend, wenn auch diesmal ein sehr schweißtreibender.

Flachsmarkt: Ein mittelalterliches Fest der Sinne
Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Sprachen vieler Nationen sind bei den Passanten zu hören, doch der niederrheinische Flachsmarkt besitzt diesmal eine deutlich niederländische Ausrichtung. Im 50. Jahr der Partnerschaft zwischen Krefeld und Venlo hat „De edelachtbare heer Antoin Scholten“, Venlos Bürgermeister, die Schirmherrschaft übernommen und freut sich sichtlich darüber: „Es ist eine große Ehre. Gerade habe ich in der Kirche für das Gelingen der Veranstaltung gebetet.“

Flachsmarkt: Ein mittelalterliches Fest der Sinne
Foto: Jochmann, Dirk (dj)
Die Bilder vom Wochenende auf dem Flachsmarkt
75 Bilder

Die Bilder vom Wochenende auf dem Flachsmarkt

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Seine einstündige Rede habe er wegen der Sonne auf drei Minuten gekürzt, sagt er mit einem Schmunzeln und die Gäste, die bei 35 Grad jedes Schattenplätzchen nutzen, lachen und atmen auf. Nur bei den in lange schwarze Gewänder gekleideten Spinnerinnen fällt das Lächeln knapp aus. Scholten: „Ich möchte meine Aufgabe mit Gewissenhaftigkeit und großem Vergnügen erfüllen. 50 Jahre dauert unsere Freundschaft, daran erkennt man, wie solide unsere Beziehungen sind.“

Flachsmarkt: Ein mittelalterliches Fest der Sinne
Foto: Dirk Jochmann

Zuvor hält Helmer Raitz von Frentz, der Initiator der Veranstaltung, seine letzte Eröffnungsrede. Im nächsten Jahr wird sein Sohn Alexander, der bereits der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft ist, auch diese Aufgabe übernehmen. Der Senior fordert die Landsknechte auf, das mit Richtschwert und Stadtsiegel behangene Marktkreuz aufzustellen, das dem Volk den Landfrieden für die Markt- und Gerichtstage verspricht.

Das „Volk“ ist wie in jedem Jahr begeistert. Bei Backofentemperaturen gehen viele Passanten barfuß oder mit Sandalen, so dass die Helfer des DRK einen großen Verbrauch an Pflaster verzeichnen. Am Samstag, mit rund 35 Grad im Schatten, belagern die Besucher die Wiesen überall da, wo was los ist. Sie haben ein Eis in der Hand und lauschen den Liedern der niederländischen Musiker namens „Parelmoer“, was so viel wie Perlmutt bedeutet.

Auf Einladung von Ute Schmiek sind Freundinnen aus Frankreich angereist. „Hier ist es sehr originell und sehr international“, meint Jeosette Mauruisot mit Blick auf die Musiker. An anderer Stelle spielen die Mitglieder von „De Prinzekapel“ aus Venlo auf.

Sebastian Marx stammt aus Saarbrücken und ist mit seiner Freundin angereist: „Bei uns gibt es auch einen historischen Markt, aber so groß und so schön wie dieser hier, ist er nicht“, findet er. „Außerdem ist der Ort um die mittelalterliche Burg herum, einfach nur schön.“

900 Handwerker und Gesellen sind nach Linn gereist. Mitleid haben die Besucher mit den Leuten, die bei der Gluthitze an der Esse stehen und schmieden oder Zinn am offenen Feuer schmelzen, um daraus Hufeisen als Souvenir zu gießen. „So ist es eben“, lautet der lapidare Kommentar eines Handwerkers aus Tschechien.

Wer mit Fell arbeitet, wie die Linnerin Anette Spörk in ihrer „Teddyklinik mit Notaufnahme“, muss die Hände zwischendurch vom Fell befreien. Sie steht lächelnd Frage und Antwort. „Nein, Narkose kann ich nicht.“

Da ist Steinbildhauer Henner Gräf besser dran. An seinen Wasserspielen plätschert es munter. David Harry Föhl und Sabine Baldauf aus Aachen gucken interessiert. Sie tragen mittelalterliche Gewänder. „Wir haben sie aus den fernen Niederlanden importiert“, erzählen sie und lachen. „Wir haben geglaubt, wir kommen umsonst ‘rein. Hat nicht geklappt.“ Sabine Föhl-Kuse aus Issum tauscht sich mit dem Steinmetz über die Gesellentaufe namens Gautsche aus.

Wer sich auch bei den heißen Temperaturen niemals Marscherleichterung erlauben würde, ist der Kurfürst und Erzbischof zu Köln, Clemens August I., alias Horst Isbert. „Da muss ich durch, das gehört dazu“ sagt er. Doch seine Stirn unter Perücke und Filzhut mit Federn glänzt ebenso wie der Brokat am schweren Gehrock.