Gedichte brachten sie auf das Gymnasium
Über die WZ bekam Anne Simons vor 60 Jahren einen Platz an der Marienschule.
Krefeld. In diesem Sommer feiert Anne Simons ihr goldenes Abitur-Jubiläum. Mit 20 Klassenkameradinnen trifft sie sich dann in Süddeutschland „zum Wandern und Unsinn machen“. „Ich hatte eine ganz wunderbare Schulzeit auf der Marienschule. Aber dass ich überhaupt aufs Gymnasium gehen durfte, habe ich der Westdeutschen Zeitung zu verdanken“, erzählt Anne Simons
Ihr Vater arbeitete vor 50 Jahren als Maler und Anstreicher in der Klinik Königshof, Am Dreifaltigkeitskloster, ihre Mutter war dort als Krankenschwester angestellt. „Handwerker- und Angestelltenkinder gingen nur aufs Gymnasium, wenn es Jungen waren, auf die man Hoffnung setzte oder wenn die Eltern gut betucht waren“, sagt Anne Simons. 20 D-Mark kostete das Schulgeld jeden Monat, und auch die Bücher waren nicht billig.
1953 nahm die kleine Anne Heukäufer, so lautete ihr Mädchenname, ihren ganzen Mut zusammen, ging zur Geschäftsstelle der Westdeutschen Zeitung an der Rheinstraße und wollte den Redakteur der Kinderseite sprechen. Ihm drückte die Achtjährige eine Mappe mit rund 100 selbstverfassten Gedichten in die Hand, sagte keck, wenn er was wirklich Gutes suche, solle er mal reinsehen, und verschwand mit rotem Kopf in Windeseile.
Am nächsten Samstag stand zum ersten Mal ein Gedicht von ihr in der Zeitung, poetische Zeilen über den Vogelflug im Herbst. Anne Simons kann die Strophen heute noch auswendig.
In der Woche darauf druckte die WZ das nächste Gedicht ab. „Beim dritten Gedicht hat mich der Rektor der Volksschule zum ersten Mal gegrüßt“, berichtet Anne Simons. Als Linkshänderin wurde sie gezwungen, mit der rechten Hand zu schreiben. „Da habe ich schnell die Lust auf Schule verloren. Keiner wusste, dass ich überhaupt lesen und schreiben konnte.“
Doch der wahre Triumph kam in Person von Mater Beatrix, der Leiterin der Marienschule. „Sie bat meine Eltern, mich zu einem Vorstellungsgespräch zu schicken — und ich sollte meine Gedichte mitbringen.“ Die kleine Anne bekam eine sogenannte Freistelle, ihre Eltern mussten kein Schulgeld bezahlen.
Auf dem Gymnasium hat Anne Simons keine Gedichte mehr geschrieben. „Dafür aber schöne Aufsätze“, sagt sie mit einem gewinnenden Lächeln. „Ich war eine gute Schülerin. Erst als die Tanzschule kam, verlagerten sich meine Interessen etwas.“ Anne Simons hatte eine glückliche Schulzeit bei den Nonnen, und so wundert es nicht, dass sie selber Lehrerin für Sport und Kunst wurde.
Nach dem Studium unterrichtete sie in der Eifel, seit 1988 dann in Krefeld an der Kurt-Tucholsky-Gesamtschule. Seit zwei Jahren lebt die zweifache Mutter und Oma in Düsseldorf. Für das Lernen kann sie sich immer noch begeistern. „Jeden Tag pauke ich am PC eine Stunde Französisch und Spanisch.“