Geschichte: „Jetzt fühlen wir uns stärker mit der Region verbunden“
Zwei Schülerinnen haben sich mit der Tradition von Nachbarschaften am Niederrhein beschäftigt. Das bringt sie vielleicht bald zum Bundespräsidenten.
Krefeld. Über fünf Monate haben sich Marie Diener und Veronique Gantenberg mit niederrheinischer Geschichte beschäftigt. Die beiden Schülerinnen vom Fischelner Maria-Sibylla-Merian-Gymnasium suchten in ihrer Freizeit das Stadtarchiv auf, befragten Zeitzeugen und machten — ausgestattet mit einer Videokamera — Umfragen in der Krefelder Innenstadt. Dafür wurden sie jetzt belohnt.
Ihre Arbeit „Ein Nachbar an der Seite ist besser als ein Bruder in der Weite“ gehört zu den Landessiegern des Geschichtswettbewerbs des Bundespräsidenten. Die einzige Auszeichnung für Krefelder in diesem Jahr. „Wir saßen im Unterricht, als wir die Nachricht bekommen haben. Darüber haben wir uns riesig gefreut und sind sehr stolz“, sagt die 16-jährige Veronique.
Beide beschäftigte die Frage, wie die Nachbarschaft am Niederrhein in den Jahren 1900 bis 1914 gelebt wurde und wie sich das Verhältnis zu den Nachbarn mittlerweile verändert hat. Das Ergebnis ist spannend: „Früher waren die Menschen viel stärker aufeinander angewiesen. Sie haben sich gegenseitig geholfen“, sagt die 17-jährige Marie. Daher sei die Verbundenheit zu den Nachbarn automatisch gewachsen — besonders am Niederrhein gab es traditionell ein enges Verhältnis zum Nachbarn.
Ihre Befragung der Krefelder im Jahr 2013 habe dagegen ein anderes Bild gezeigt. „Heute betrachten die meisten ihre Nachbarn als Fremde. Ganz extrem ist das bei den Jüngeren“, erklärt Veronique. Doch existiere auch der Wunsch nach mehr Kontakt untereinander. „Viele wünschen sich Straßenfeste, damit sie die Menschen im eigenen Viertel besser kennenlernen“, sagt sie.
Doch nicht nur über andere Menschen haben die zwei Freundinnen Erkenntnisse gesammelt. Auch persönlich haben beide in diesen Monaten neue Erfahrungen gemacht. „Durch diese Arbeit haben wir unsere Heimat von einer anderen Seite kennengelernt. Wir fühlen uns jetzt viel stärker verbunden mit der Region“, sagen die beiden unisono.
Von Oktober 2012 bis Februar 2013 haben beide so gut wie jede freie Minute investiert. „In der Endphase haben wir nur wenig geschlafen und Nachtschichten eingelegt“, sagt Veronique. „Aber Geschichte interessiert uns beide generell. Es ist wichtig darüber Bescheid zu wissen, damit aus der Vergangenheit gelernt werden kann“, so die 16-Jährige weiter.
Dass beide Geschichte als Leistungskurs belegen, versteht sich daher von selbst. Für die Zeit nach dem Abitur haben sie jedoch andere Pläne. Marie will „international politics“ studieren. „Am liebsten in England“, sagt sie. Veronique strebt ein Psychologiestudium an der Universität Düsseldorf an.
Durch ihren Sieg nehmen sie automatisch am Bundeswettbewerb teil, bei dem die besten Fünf im Schloss Bellevue sogar Bundespräsident Joachim Gauck treffen werden. Vorher freuen sie sich auf die Preisverleihung am 15. Juli in Bonn. Da bald eine Klassenfahrt nach Paris ansteht, wissen sie auch, was sie mit den 250 Euro Preisgeld machen. „In Paris finden wir sicherlich etwas Schönes“, sagen beide und lächeln.