Heim-Erziehung: Kastanienhof - So familiennah wie möglich
Die WZ stellt Krefelds Kinderheime vor. Seit 1953 gibt es den Kastanienhof. Ziel der Leiter und Betreuer ist die erfolgreiche Integration der Kinder in ein soziales Umfeld.
Krefeld. Vorurteile über Kinderheime sitzen noch immer in den Köpfen der Allgemeinheit. Schlafsäle und Waschräume für mehrere Kinder sind gängige Vorstellungen.
Diese Zeiten sind vorbei — heute sind die Herbergen für Säuglinge, Kinder und Jugendliche hell, freundlich und familiennah gestaltet. So auch der Kastanienhof an der Kaiserstraße. Beim Betreten des Gebäudes fallen die hellen und freundlichen Farben von Wänden und Mobiliar auf.
In sechs Regelgruppen, zwei Intensivgruppen, eine davon mit heilpädagogischem Ansatz, und einer Säuglings- und Kleinkindergruppe — der einzigen in Krefeld — sind in dem großen Gebäude 70 Kinder von Null bis 17 Jahren untergebracht.
Bis zu zehn Kinder leben zusammen auf etwa 150 Quadratmetern in einer Gruppedie ähnlich einer Wohnungen aufgebaut ist — mit Kinderzimmern, Wohnzimmer, Küche und Badezimmer. Jeweils zwei Kinder teilen sich ein geräumiges und kindgerecht eingerichtetes Zimmer. Jedes Kind hat seine eigenen Spielsachen, an den Wänden hängen Bilder und Gebasteltes.
Vier Betreuerinnen und eine Praktikantin kümmern sich pro Gruppe rund um die Uhr um ihre Schützlinge. „Wir freuen uns den Kindern zu helfen und ihnen eine Perspektive zu bieten“, sagt Ulla Binnewirtz, die seit 21 Jahren als Erzieherin arbeitet. Zu ihrer Arbeit gehört auch, mehrmals in der Woche in der Einrichtung zu übernachten, da die Kinder rund um die Uhr betreut werden.
„Wir achten darauf, dass Jungen und Mädchen unterschiedlichen Alters und aus unterschiedlichen Schulformen zusammen wohnen“, sagt Heimleiter Jens Lüdert. So wenig Institution wie möglich möchte man sein.
„Jede der Gruppen ist autonom, mit einem eigenen Eingang. Wir möchten den Alltag der Kinder so familienähnlich wie möglich gestalten“, beschreibt Raimund Haider, weiterer Heimleiter, die Ziele des Kastanienhofs. So besuchen die Kinder Schulen und Kindergärten außerhalb des Heims.
Die soziale Entwicklung wird besonders gefördert. Freunde dürfen eingeladen werden und sogar im Heim übernachten und auch die Mitgliedschaft in einem Verein — egal ob Sport oder Musik — steht auf dem Programm. Ein großes Außengelände bietet den Kindern in ihrer Freizeit viel Platz zum Spielen und sich bewegen. „Die Kinder kennen oft kein Freizeitverhalten von den Eltern. Unser Ziel ist die Integration in ein soziales Umfeld“, so Haider.
Die Gründe für eine Herausnahme aus der Famile sind unterschiedlich: Oft führen Drogen und vermehrt psychische Erkrankungen der Eltern dazu. „Jede Herausnahme aus der Familie ist eine traumatische Situation“, sagt Haider. „Wir müssen ganz sensibel mit den Kindern umgehen, ihnen die Sache erklären und vor allem ihre Schuldgefühle nehmen“, ergänzt sein Kollege.
Dies erfordere ein hohes Maß an Professionalität. Auffälligkeiten die die Kinder zu Beginn oft zeigen, regeln sich zum Teil auch durch die vorgegebenen, klaren Gruppenstrukturen und -regeln von alleine. Und auch ein jährlicher Urlaub steht jedem Kind zu. Für 14 Tage geht es mit den jüngeren nach Holland oder in die Eifel.
Die Älteren dürfen mit Jugendreisen mitfahren. Jens Lüdert: „Die Kinder haben eine schöne Zeit im Urlaub. Sie können einfach mal sie selbst sein und aufblühen.“