Kabarett: Ein Deutschmann auf politischer Weltreise
Viele Lacher für das Programm mit heftigen Spitzen.
Krefeld. Auch die Gastgeber ließ er nicht ungeschoren: Den Charme des eingefleischten proletarischen Realismus’ empfand der Berliner Kabarettist Matthias Deutschmann (50 und seitdem nach eigenem Bekunden im hormonellen Sinkflug) beim Auftritt in der wieder einmal voll besetzten Kulturfabrik, die für ihre Reihe "Kabarett-Bühne" bis Mai fünf weitere namhafte Komödianten ankündigt. Eine Bühne mit Betonboden hat er wohl sonst noch nicht erlebt.
Die "Reise nach Jerusalem", wie Matthias Deutschmann sein Programm nennt, heißt wohl vor allem so, weil er sich dabei so richtig zwischen alle Stühle setzen kann. Seit der Premiere im April 2007 im Hamburger St.-Pauli-Theater wird der Non-Stop-Redeschwall ständig runderneuert, hatte aber ausgerechnet beim Stichwort Jerusalem mit Ehud Olmert als Regierungschef einen leichten zeitlichen Hänger.
Deutschmanns pinker Cello-Kasten wacht über die Bühne und gibt dem Auge halt, wenn der Akteur hin und her läuft und vor allem das Ohr anspricht. Das Cello selbst ist keineswegs nur Requisit. Deutschmann versteht es, ihm sanfte Töne zu entlocken, aber stets nur wenige Takte, denn die Gema sei überall, befürchtet er.
Mit seinem Solo ging Deutschmann, aus Betzdorf gebürtiger Westerwälder und in Freiburg anstudierter Biologe, auf eine politische Weltreise in heftigen Sprüngen von Grönland, wo die Kanzlerin ihr Umwelt-Image poliert, über das Westjordanland und den Gaza-Streifen und Jerusalem, wo sich alle auf ihre Urväter berufen, bis zur ohnmächtig Streife fahrenden Flottille vor der Küste des Libanons.
Viele Lacher brauchte der schon 1992 mit dem deutschen Kabarettpreis bedachte Mime nur leicht anzustoßen, andere ließ er seine Zuhörer lieber schnell runterschlucken, seine Spitzen waren gelegentlich heftig etwa als er den Wettbewerb der Katastrophenberichterstattung als journalistische Inkontinenz diagnostizierte, manchmal auch leicht fade, wie zur Bankenkrise von den Einlagen als "orthopädischem Offenbarungseid" zu sprechen.
Seit 1985 schon tritt Matthias Deutschmann, der beim Studentenkabarett "Schmeißfliege" begann und nicht vom Metier lassen konnte, mit einem Solo-Programm auf und war auch schon mehrfach in Krefeld. Vielleicht konnte er deshalb auch beurteilen, dass er in der Kufa vor "abgesenkter Oberschicht" saß.