Rapper Sido gibt das Unschuldslamm
Der geläuterte Skandalrapper war am Freitag in der Kufa zu Gast. Mit der WZ spricht er über sein Image und gezielte Provokation.
Krefeld. Zum vereinbarten Interview-Termin ist Sido unauffindbar. Er ist nicht im Hotelzimmer, nicht im Frühstücksraum, nicht bei seinem Tour-Manager. Des Rätsels Lösung liefert die Frau vom Plattenlabel Aggro Berlin. "Sido hat wohl gestern ein bisschen zu heftig gefeiert", sagt sie. Es ist nach 14 Uhr. Erst zwei Stunden später ruft Sido an - und spricht über Skandale, sein Image und lästige Journalisten.
Frage: Ein bisschen zu viel gefeiert?
Sido: Ja, es war der Tour-Auftakt. Ich hatte mir vorgenommen, besoffen zu werden. Es hat geklappt.
Sido: Journalisten machen nur ihren Job. Und je anstrengender Sie für mich sind, umso besser machen Sie ihren Job wahrscheinlich. Aber ehrlich gesagt habe ich oft keinen Bock auf Interviews.
Sido: Mein Leben hat sich verändert. Vor ein paar Jahren hatte ich wenig, für das es sich zu leben lohnte. Heute gibt es viele Dinge, für die es sich lohnt, morgens aufzustehen. Ich werde bald 28 Jahre alt. Trotzdem könnte ich manchmal noch Lieder wie den "Arschficksong" schreiben.
Sido: Natürlich, das ist ja immer noch ein Teil von mir. Außerdem spiegelt der Song keine tatsächlichen sexuellen Vorlieben. Die Leute werden dadurch nicht erregt, sie finden den Song witzig.
Sido: Ich warne vor gar nichts, ich wasche nur meine Hände in Unschuld. Ich wollte den Leuten klar machen, woran es wirklich liegt, wenn Kinder verrohen. Was schief läuft, läuft in den Familien schief und in all den tollen Institutionen, die danach kommen. Erst ganz am Ende, auf Platz 197, kommt meine Musik.
Sido: Ich spiegele gesellschaftliche Umstände nur wider, ich erfinde sie nicht. Wenn es sie nicht gäbe, hätte ich nichts zu rappen.
Sido: Ich wollte nie provokant sein, um den Verkauf zu fördern. Um Marketingstrategien habe ich mir nie einen Kopf gemacht. Wie gesagt: Mein Leben war so.
Sido: Ich hatte keine Krankenversicherung, war nicht gemeldet. Ich habe auf der Straße gewohnt oder in einer heruntergekommenen Mauseloch-Wohnung.
Sido: Ich habe nie Gangsta-Rap gemacht. Leute, die vom Abstechen und Koksverkaufen rappen, sind doch peinlich. Mein Rap ist schroff, aber das hat sich bald erledigt. Rap ist eine Jugendkultur, mit der ich irgendwann nichts mehr zu tun haben will. Mann, ich bin fast 30.
Sido: Sido will in zehn Jahren keine Interviews mehr geben und keine dummen Fragen mehr beantworten. Das ist eigentlich alles.