Mediothek: Eine nur mäßig wilde Nacht
Bibliothek macht Abendprogramm mit Gästen. Doch nur Christian Ehring und das Horst Hansen Trio für Begeisterung.
Krefeld. Erst mussten noch zusätzliche Stuhlreihen ins Atrium der Mediothek gestellt werden, aber trotzdem reichten die Sitzplätze am Freitagabend nicht. Die Nacht der Bibliotheken unter dem Motto „Deine Bibliothek — wilder als Du denkst“ hatte viel Publikum mobilisiert. Doch das Wilde ließ zunächst auf sich warten.
Erst lieferte das Duo PaPerCuts eine Nachtmusik ab, als wäre man musikalisch vor dem Regal mit Gutenacht-Geschichten. „Das erinnerte mich an meine Rückengymnastik“, meinte eine Dame fortgeschrittenen Alters. Amüsantes kündigte der erste Autor des Abends, Birand Bingül, mit der Lesung aus seinem Buch „Der Hodscha und die Piepenkötter“ an: „Ein bisschen Don Camillo und Peppone“. In der Variante türkischer Imam, der mit seiner Tochter in eine Kleinstadt nach NRW kommt und es dort mit der CDU-Oberbürgermeisterin Piepenkötter zu tun bekommt.
Danach fängt der Abend endlich an, das zu halten, was er verspricht. Sie können zwar nur bis drei zählen, wie es scheint, die fünf Jungs vom Horst Hansen Trio, aber musikalisch haben sie viel auf dem Kasten. „Wir machen Jazz! Wir machen das gerne!“ Der Beweis kommt mit dem ersten Takt. Sofort ist Schwung im Laden, ein fetziger Sound, Virtuoses von Jazzophon und Saxophon; die jungen Herren sind klasse und die mehr als 300 Gäste begeistert. Nach dem kleinen Tsunami auf der Bühne wird es ruhiger.
Matthias Schamp tritt ans Stehpult. In seiner Geschichte „Das letzte der großen Gefühle“ ist ein Tourist namens Knast auf der Suche nach dem ultimativen galaktischen Reiseerlebnis, den Schamp in der Manier eines Marktschreiers auftreten lässt. Eine Besucherin: „Gut, dass ich hier etwas anderes zu lesen hatte.“ Wie erfrischend, dass die fünf Nachwuchsjazzer vom Horst Hansen Trio wieder loslegen können.
Nach dem musikalischen Höhepunkt der wilden Bibliotheksnacht kommt, von vielen sehnsüchtig erwartet, der Mitternachtsgast Christian Ehring. Ein Meister der leisen, aber nicht minder bissigen Töne — gesprochen und gesungen. Proteste gehen auch freundlicher, lautet seine Devise. So hätte es Putin besser gefallen von Pussy Riot zu hören: „Maria! Wir danken dir! Für Wladimir!“
Nach einem kleinen Exkurs über Demokratien gesteht Ehring: „Es gibt Momente, da ist es schön, in Deutschland zu leben“ und denkt auch an Italien. „Merkel würde doch nichts mit Justin Bieber anfangen!“ Von seinen spitzen Kommentaren kann das Publikum nicht genug bekommen. Eine gelungene Nacht der Bibliotheken in der Mediothek!