Romanzen der Stadtgeschichte
Bei einem Spaziergang wandeln die Teilnehmer auf den Spuren von Krefelder Liebespaaren.
Krefeld. Mit den Erwartungen, die man an einen Stadtspaziergang auf den Spuren von Krefelder Liebes- und Ehepaaren einen Tag vor dem Valentinstag haben könnte, räumt Lydia Paggen sofort auf: „Es wird nicht so romantisch, wie Sie vielleicht befürchtet haben!“
Da die meisten der 19 Teilnehmer schon fortgeschrittenen Alters sind, dürfte ihre Lebenserfahrung ihnen eine gesunde Distanz zu roten Herzen und Rosen, Schmetterlingen im Bauch und den Werbegags zum Valentinstag eingebracht haben.
Für Therese und Heiner Hanrath hat dieser Spaziergang eine ganz besondere Bedeutung: Auf den Tag genau vor 42 Jahren haben sie sich in Krefeld kennengelernt. Da war es für sie klar, dass sie bei dieser Stadtführung mitmachen mussten.
Mit den bedeutenden Namen aus der Krefelder Stadtgeschichte, aber auch Aspekten, die bei einer gewöhnlichen Führung kaum zur Sprache kommen, startet die studierte Sozialwissenschaftlerin vor dem Rathaus.
Schließlich diente der repräsentative Bau einst der Familie von der Leyen als „Einfamilienhaus“. Der Zuschnitt des Hauses war so ungünstig, dass es nicht möglich war, mehrere Haushalte in dem großen Gebäude standesgemäß unterzubringen.
Da erfahren die Stadtspaziergänger vom harten Regiment, das Conrad von der Leyen seiner Ehefrau gegenüber führte. Nachdem der Schwiegervater, ein Kölner Kaufmann, seine Firma in den Sand gesetzt hatte, gestattete der um eine Aussteuer gebrachte Haushaltsvorstand der jungen Frau nur noch den Briefverkehr mit ihren Eltern; Besuche wurden verboten. Der Liebe tat es wohl keinen Abbruch, wie acht Kinder aus dieser Ehe bezeugen.
Andere Ehen, die vor allem Geschäftsbeziehungen festigen sollten, sind mit dem Floh’schen Haus verbunden, das 1766 für Johann von der Leyen erbaut wurde. In jeder Generation wechselte das Haus, dessen Bausubstanz nicht mehr ganz so alt ist, den Namen.
Der Grund lag darin, dass es immer nur Mädchen gab, die die Traditionen nicht weiterführen konnten und somit die namensgebenden Söhne von befreundeten Geschäftspartnern heirateten. Die guten Geschäftsbeziehungen zwischen den von der Leyens und den von Lövenichs aus Burscheid wurden beispielsweise durch drei Ehen gefördert.
Wie viel Geld bei den wohlhabenden Familien Krefelds im Spiel sein konnte, zeigte sich exemplarisch am Haus Friedrichstraße 18 — beim Ehepaar Rhodius. Nach fünf Jahren Ehe und Leben in Köln stellte Marianne, eine geborene de Greiff, fest, dass sie lieber in Krefeld wohnen wollte. Sie beschränkte sich daraufhin mehr oder weniger auf einen Briefwechsel mit dem Herrn Gemahl in der Domstadt.
Im Ehevertrag hatte man Gütertrennung vereinbart — und da es bei dieser Fernbeziehung nicht zu Nachwuchs kam, erbte schließlich die Stadt Krefeld nach Mariannes Tod das nette Sümmchen von umgerechnet 16,4 Millionen Euro.
Herzzerreißend ist dagegen die Liebesgeschichte, die den Höhepunkt der fesselnden Zeitreise in die Alltags- und Sozialgeschichte vergangener Jahrhunderte bildet. Für Käthe Paulus und Hermann Lattemann, das Traumpaar aus den Pioniertagen der Luftschifffahrt, bringt eine Flugschau des Jahres 1894 ein dramatisches Ende.
Die erste Fallschirmspringerin Deutschlands kann heil landen, während sich der zu einem Fallschirm umfunktionierte Ballon nicht öffnet und ihr Hermann auf der Neuen Linner Straße zu Tode kommt.