TC Seidenstadt: Sozialarbeit auf dem Parkett
Seit 2001 sucht der TC Seidenstadt andere Räume. Nach dem Rückzieher von McDonald’s können die 300 Mitglieder vorerst im Bahnhof trainieren.
Krefeld. Mit gerade sieben Jahren ist Nicole die Kleinste im Kurs der Jugendlichen, die sich im lateinamerikanischen Rhythmus bewegen. Ihre Mutter Irena Kubica schaut interessiert zu. „Nein, Tanzen liegt nicht bei uns in der Familie“, lacht sie, „ich tanze höchstens mal zu Hause mit meiner Tochter“.
Viele Mütter sind an diesem Nachmittag mit ihren Kindern zum Training beim TC Seidenstadt ins Bahnhofsgebäude gekommen: Geschlagene drei Stunden lang schauen sie zu, wie sich ihr Nachwuchs auf dem Parkett bewegt. Drei Viertel der gut 300 Mitglieder sind unter 21 Jahre alt — und überwiegend russischer und polnischer Herkunft. Aber auch kleine Koreaner üben Standard-Tänze, Breakdance oder Hip-Hop. Selbst Rolli-Fahrer tanzen unterm Bahnhofsturm.
„Wir leisten Sozialarbeit in diesem Teil der Stadt“, sagt Martin Pastor, Architekt, Tanzlehrer und Vorsitzender des Klubs seit 30 Jahren. Nebenan trainiert seine Frau Jutta die ganz kleinen Tänzer, zu denen Nicole heute nicht gehören will. Der Klub hat auch schon Weltmeister hervorgebracht: Benedetto Ferrugga und Claudia Köhler (Lateinamerikanischer Tanz, 2010). „Die Turnierpaare laufen von allein“, sagt Pastor, „uns geht es darum, die Kinder in Bewegung zu bringen.“ Insgesamt acht Trainer arbeiten für den TC Seidenstadt.
Der Druck, unter dem der Klub noch vor zwei Jahren gestanden hat, ist inzwischen nicht mehr so groß, denn die Fast-Food-Kette McDonald’s ist an den Räumen nicht mehr interessiert. „Wir bleiben am angestammten Ort schräg gegenüber am Ostwall“, teilte Sebastian Hortmann von der Immobilienabteilung des Franchise-Unternehmens mit.
Dennoch sucht der TC Seidenstadt weiter ein neues Domizil. Die gemeinsamen Baupläne mit der Caritas gleich hinter dem Bahndamm an der Kölner Straße sind an den Vorgaben der Stadt gescheitert: Die vorgegebene Dreigeschossigkeit wäre nicht rentabel gewesen: Büros lassen sich in dieser Gegend praktisch nicht vermieten. Stadtverwaltung und Wirtschaftsförderer konnten Martin Pastor bisher nicht helfen: „Nicht geeignet für Sie’“, habe es beispielsweise geheißen, als er sich für die Lagerräume und Garagen am alten Fundbüro an der Lewerentzstraße interessierte, das seit Jahren leer steht. Selbst der Innenhof der Feuerwache an der Florastraße könnte Martin Pastor reizen. Aber erst 2016 soll die neue Wache fertig sein — so lange möchte der Verein nicht mehr warten. „In Krefeld dauert alles so lange“, klagt der Vorsitzende.
Nun möchte er einen Eigentümer „wecken“, der in der Südstadt eine 2000 bis 2500 Quadratmeter große Fläche verkaufen möchte. „Selber bauen lohnt sich inzwischen mehr als mieten“, sagt Martin Pastor. Zumal er einen günstigen Hallenbauer an der Hand hat und mit öffentlichen Mitteln aus der Sportförderung zu rechnen ist.