Museumsleiter Burg Linn „Wer hat schon so einen Arbeitsplatz?“

Christoph Reichmann nimmt Abschied von seinem Beruf — aber nicht von der Archäologie oder Linn.

Foto: Dirk Jochmann

Krefeld. Während die Oberbürgermeisterkandidaten streiten, ob und wie die Stelle des Museumsleiters der Burg Linn besetzt wird, packt einer schon so langsam seine Sachen: Christoph Reichmann. Er geht Ende September in den Ruhestand. Seit er in seinem Haus am Andreasplatz wohnt, brauchte er morgens nur etwa zwei Minuten zur Arbeit— und selbst da hatte er immer die Burg vor Augen. Dass er die Leitung nun abgeben muss, trägt er mit Fassung: „Dadurch, dass ich hier bleibe, ist es nicht so schlimm“, sagt er.

Kaum jemand in Krefeld weiß so gut, was sich in der Erde unter der Stadt verbirgt wie Christoph Reichmann. Der 65-Jährige ist Archäologe durch und durch. Die Faszination hat bei ihm schon früh begonnen, und aufhören zu graben, wird er wohl nie. Aufgewachsen ist er in Haldern bei Kleve. Mit 14 Jahren hat er das erste Mal etwas ausgegraben. „Beim Indianer spielen habe ich in einer Sandgrube eine Pfeilspitze aus Feuerstein gefunden. Die liegt heute im Museum in Duisburg“, sagt er und lächelt.

Seit 30 Jahren lebt er mit seiner Frau in Linn. Alle drei Kinder sind dort aufgewachsen. „Dann ist man noch lange kein Linner. Das geht über mehrere Generationen“, sagt er überzeugt. Er ist nicht allein in der Stadt geblieben, weil es sein Beruf erforderlich gemacht hat, es war der Eindruck, den der Ort hinterlassen hat: „Linn ist eine Perle am Niederrhein — ein Gesamtkunstwerk. Weil es mir so gut gefallen hat, habe ich beschlossen, hier Wurzeln zu schlagen. Wer hat schon so einen Arbeitsplatz?“

So hat er sich das Haus in Linn gekauft, wo er sich erstmal daran gemacht hat, den Keller auszugraben. „Es hat dort ein Bierbrauer gewohnt. Die Fassade des Hauses ist aus dem Jahr 1740, der Keller aber von 1615.“ Die zwei Kellerräume sind nach einem Hochwasser, wahrscheinlich 1784, verfüllt worden. Dabei ist auch Geschirr kaputt gegangen. Was Reichmann gefunden hat, hat er ins Museum gebracht. „Das ist ein schönes Beispiel dafür, was man so im Haushalt hatte zu der Zeit.“

Dass er Leiter der Linner Museen wurde, lag daran, dass er 1980 auf einer Exkursion in Paderborn neben der damaligen Leiterin Renate Pirling saß. Sie holte ihn im Anschluss nach Krefeld, wo er die Leitung 1994 von ihr übernahm. „Ich habe natürlich nicht ganz zufällig neben ihr gesessen“, sagt der 65-Jährige schmunzelnd. Er hatte bereits von der freien Stelle gehört und wollte nach Linn.

1981 hat er angefangen und wurde direkt in die Arbeit miteinbezogen, die das größte Projekt seiner Laufbahn sein wird: Gelduba. Wenn es nach der Stadt geht, soll das römische Kastell Weltkulturerbe werden. Das würde bedeuten, das Gebiet in Gellep-Stratum, würde auch Touristen zugänglich gemacht. „Bisher konnten wir nicht viel machen, weil das Gebiet im Flächennutzungsplan als Industriefläche ausgewiesen war“, erklärt Reichmann. Besonders bekannt wurde der Siedlungsplatz durch mehr als 6000 Gräber, die archäologisch untersucht wurden und deren Funde im Museum ausgestellt sind. Als Voraussetzung für den Status als Weltkulturerbe arbeitet Reichmann an einer Publikation zu den Grabungen, das sieht er als eine seiner ersten Aufgaben im Ruhestand.

Was ihn ärgert, ist, dass es immer noch keine Autobahnschild gibt, das auf die Museen in Linn hinweist. Der erste Antrag dazu liegt zwölf Jahre zurück. „Das ist ein Schwachpunkt“, sagt Reichmann.

Er wird mit seiner Frau in dem Haus in Linn wohnen bleiben und an seinen Funden weiterarbeiten. „Ich habe da noch einiges vor der Brust.“ Er hofft, auf ein ähnliches gutes Verhältnis zu seinem Nachfolger, wie er es mit seiner Vorgängerin pflegt. „Frau Pierling und ich verstehen uns immer noch prächtig“, sagt Reichmann. „Ich hoffe, dass ich meinem Nachfolger nicht auf die Nerven falle.“