Wie ein Theaterstück entsteht
Für die neue Inszenierung beschäftigt sich Peter Gutowski vom Theater Hintenlinks intensiv mit Buenos Aires.
Krefeld. In Peter Gutowskis Kopf rumort es ohne Unterbrechung. In letzter Zeit streift er Tag und Nacht in Gedanken durch die Straßen von Buenos Aires. Die Stadt, der Tango und das Thema Einwanderung um die Jahrhundertwende beschäftigen ihn. Der Leiter des Theaters Hintenlinks arbeitet fieberhaft am neuen Stück "Die Straßen von Buenos Aires", das am 16. Dezember Premiere feiert.
Die Zeit wird knapp, deshalb sucht Gutowski zur Unterstützung einen Dramaturgen, der bei Recherche und Produktion hilft. Der Helfer käme in ein Team, das begeistert bei der Sache ist. "Auf die Idee zu dem Stück hat mich Lena Grosman gebracht, eine Musikerin des Duos Che Tango", erzählt Gutowski. "Sie kommt aus der Ukraine und richtet regelmäßig in Kiew ein Tango-Festival aus." Dem Theatermacher fiel auf, wie wenig er über diesen faszinierenden Tanz weiß: "Die Tanzschule ist ja jetzt schon 30 Jahre her", sagt er.
Sofort entstanden Bilder vor seinem inneren Auge: "Ich stellte mir eine schmuddelige Spelunke im Hafenviertel La Boca vor", erinnert er sich. "Die Geschichte, die sich hier abspielen sollte, war anfangs überhaupt nicht klar." Das war sogar noch so, als das Programm für die jetzige Spielzeit gedruckt wurde. "Ich lasse mich bei meiner Arbeit von einem Impuls tragen", gesteht Gutowski. "Das funktioniert gut, ist aber eine unorthodoxe Arbeitsweise."
Bei ihren Recherchen stießen er und seine Frau Anuschka auf folgende Fakten: Argentinien ist Ende des 19. Jahrhunderts bevölkert von Europäern aller Couleur. Wo kommen sie her und warum haben sie ihre Heimat verlassen? Um das herauszufinden, besuchten die Gutowskis das Auswandererhaus in Bremerhaven. "Das ist wirklich großartig", sagt Anuschka Gutowski. "Hier haben wir zum ersten Mal ein Gefühl für diese Menschen bekommen."
Auch der Bezug zu heutigen Einwanderern wurde klar: Die Deutschen haben damals in Argentinien Enklaven gebildet, um ihre Kultur zu bewahren. "Machen das nicht auch die Türken so, denen man vorwirft, dass sie sich nicht integrieren wollen?", fragt Peter Gutowski. "Das passiert, wenn sich Menschen nicht willkommen fühlen."
Der argentinische Komponist Enrique Santos Discépolo sagte einmal: "Der Tango ist ein trauriger Gedanke, den man tanzen kann." Anuschka Gutowski, versteht inzwischen, was damit gemeint ist. "Ich kann mir nun vorstellen, wie das ist, wenn man alles hinter sich gelassen, seine Heimat verloren hat, aber das eigene Leben kein bisschen besser geworden ist. Kein Wunder, dass man dann von Wiederkehr und Verlustängsten singt."
"Die Straßen von Buenos Aires" befindet sich noch in der "Findungsphase", wie Peter Gutowski das nennt. "Ich muss mich dabei auch mit den begrenzten Mitteln meines Theaters herumschlagen." Aber das Grundgerüst der Geschichte steht, die Biografien der Hauptfiguren auch. "Ich brauche das historische Hintergrundwissen, damit meine Geschichten denkbar und authentisch sind", sagt Gutowski. Er freut sich auf Theaterbegeisterte, die in diese faszinierende Welt eintauchen möchten.