Kohlenmonoxid-Pipeline im juristischen Kreuzverhör
In einer 67 Kilometer langen unterirdischen Pipeline soll hochgiftiges Kohlenmonoxid durch das Rheinland gepumpt werden. Die Anwohner sind alarmiert. Nun muss das Düsseldorfer Verwaltungsgericht befinden, ob die Genehmigung des Bauwerks rechtmäßig ist.
Düsseldorf - Seit Montag steht die umstrittene Kohlenmonoxid-Pipeline des Bayer-Konzerns im juristischen Kreuzverhör. Fünf Tage lang verhandelt das Düsseldorfer Verwaltungsgericht im Hauptverfahren über zwei Klagen gegen die Pipeline. Weitere 40 sind noch anhängig.
Schon die erste Frage des Gerichts an die Gutachter hat es in sich - es geht um die Erdbeben-Sicherheit: „Sind bei der Kohlenmonoxid-Pipeline auch die oberirdischen Anlagen geprüft worden?“, wollen die Richter wissen. Beide Gutachter müssen verneinen. Heikel sei das unterirdisch verlegte Rohr, auf dessen Sicherheit habe man sich konzentriert. Das Gericht werde prüfen, welche Konsequenzen sich daraus ergeben, kündigt der Vorsitzende Richter Winfried Schwerdtfeger an, unterbrochen von Zwischenrufen einer empörten Zuschauerin.
Die Pipeline liegt bereits unter der Erde, doch dem Bayer-Konzern ist die Nutzung untersagt, bis die Gerichte grünes Licht geben. „Die Pipeline ist sicher. Das umfangreiche Sicherheitskonzept der Leitung geht über gesetzliche Anforderungen hinaus. Es setzt neue Maßstäbe im Pipelinebau“, betont der Konzern, dessen Vertreter neben denen der beklagten Düsseldorfer Bezirksregierung im Gerichtssaal sitzen. Über 30 sind es auf der Beklagtenseite, sieben sind von Klägerseite erschienen. Ein Kampf David gegen Goliath, so sehen es die Bürgerinitiativen. Ein Kampf gegen den Wirtschaftsstandort, sagen die Befürworter.
Die 67 Kilometer lange Rohrleitung verbindet die Bayer-Werke in Dormagen und Krefeld-Uerdingen. Im einen Werk fällt Kohlenmonoxid an, im anderen wird es für die Kunststoff-Produktion benötigt. Bislang wird das geruchlose und unsichtbare Gas in Kesselwagen auf der Schiene befördert. Zwei Privatleute haben gegen das Planfeststellungsverfahren geklagt. Sie fürchten verheerende Folgen, falls durch ein Leck das hochgiftige Gas austreten sollte: „Drei Atemzüge, dann tritt der Tod ein.“
Bürgerinitiativen haben mehr als 110000 Protest-Unterschriften gesammelt. Was auch in der Justiz für Stirnrunzeln sorgt: Bislang hat Bayer 27 Änderungsanträge zu seinen Planungen nachgereicht - ein weiterer besonders umfangreicher Antrag soll noch bei der Bezirksregierung liegen. So waren nachträglich andere Stahlsorten und Rohrstärken verwendet worden als im ursprünglichen Antrag.
All das war Wasser auf die Mühlen der Pipeline-Gegner. Das Gericht hat die Erdbebensicherheit und die Eignung des gewählten Materials als wichtige Fragen hervor gehoben. Die Klägeranwälte gingen gegen den vom Gericht bestellten Erdbeben-Gutachter gleich in die Offensive: Dieser habe 25 Altlasten wie alte Deponien im Trassenverlauf nicht berücksichtigt bei seinen Untergrund-Analysen. Die Beklagten bestreiten dies.
2006 hatte der NRW-Landtag mit breiter Mehrheit eigens ein Rohrleitungsgesetz verabschiedet, um den Bau der Pipeline zu ermöglichen. Wie beim Stuttgarter Bahnhof dauerte es eine ganze Weile, bis die Bürger realisierten, was auf sie zukam und die Proteste hochkochten. Doch dann waren sie so massiv, dass kaum noch ein Kommunalpolitiker oder Landtagsabgeordneter in den betroffenen Gebieten es wagte, seine Fahne für die Pipeline in den Gegenwind zu halten.
Bis kommenden Freitag will das Gericht seine bohrenden Fragen an alle Beteiligten loswerden. Wann danach das Urteil verkündet wird, ist noch unklar. Möglicherweise werden die Verwaltungsjuristen den ein oder anderen noch zum Nachsitzen vergattern. So sagte der Erdbeben-Gutachter des Gerichts am Montag, für ein abschließendes Urteil zur Erdbebensicherheit fehlten ihm noch entscheidende Kennzahlen.