Sommer im Regen Wonach riecht Regen im Sommer?
Jeder kennt ihn, den Duft, der wissenschaftlich korrekt als „Petrichor“ bezeichnet wird. Doch was macht ihn aus? Ein Chemiker erklärt es.
Düsseldorf. Nein, ganz wörtlich genommen im Regen zu stehen, ist nicht das Angenehmste. Und weiß Gott wohl nie ein Umstand, der auf Freiwilligkeit beruht. Denn Regen hat besonders eine Eigenschaft: Er ist nass. Und weil er es ist, sind es im Handumdrehen auch die Haare, die Kleidung, die Unterwäsche des im Regen Stehenden. Es gibt aber einen Moment, den jeder kennt, da ist der einsetzende Regen etwas Schönes (gut, die ganz Wasserscheuen stellen sich dabei vielleicht besser unter ein Vordach und genießen von dort): Wenn an einem Sommertag die ersten Regentropfen auf den Boden treffen. Denn dann liegt dieser typische Sommerregen-Duft in der Luft, der selbst Greise dazu animieren könnte, wie in Kindertagen mit Anlauf in die nächste Pfütze zu springen. Dieser erdig-intensive Geruch weckt viel positivere Emotionen, als es etwa das Gefissel an einem grauen Novembertag jemals könnte.
Zeit, die alles entscheidende Frage zu klären: Was lässt Regen im Sommer eigentlich nach Regen im Sommer riechen? Für die Beantwortung braucht es wohl einen Fachmann. Und der findet sich an der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität und heißt Thomas J. J. Müller vom Institut für Organische und Makromolekulare Chemie. Er stellt direkt klar, dass es sich nicht um sein Fachgebiet handele, er habe dazu nicht geforscht. Wir beruhigen: Wir suchen nicht den Entdecker des Regengeruchs, sondern schlicht eine Person, die die Vorgänge verstehen und erklären kann. Wissenschaftler eben. Viel zu bescheiden. Und dann geht es auch ganz schnell: Thomas J. J. Müller kann nämlich sehr wohl verstehen und erklären, was es mit dem Sommerregen-Duft auf sich hat. Also los.
Thomas J. J. Müller vom Institut für Organische und Makromolekulare Chemie Foto: Heinrich-Heine-Universität
Petrichor heißt der Regengeruch in der Fachsprache. Das klingt erhaben, die Etymologie des Wortes bestätigt diesen Eindruck: Es setzt sich nämlich zusammen aus den griechischen Worten für „Stein“ und „Flüssigkeit, die in den Adern der Götter fließt“. Wenn das nicht erhaben klingt, was dann.
Das Wichtigste vorweg: Es ist nicht etwa so, dass der Regen die Inhaltsstoffe und damit den Geruch mitbringt. Vielmehr liegt die Antwort auf dem Boden. Genau genommen in drei Dingen.
Erstens: die Pflanzen. Nach längeren, trockenen Phasen (die es ja vornehmlich im Sommer gibt) ist der Boden poröser. Und die Pflanzen in Not — sie brauchen Wasser. Folglich produzieren sie während der Trockenheit besonders viele Pheromone, Terpenoide (ätherische Öle) und andere leicht flüchtige Inhaltsstoffe, die ein Keimen während der Trockenphase zurückhalten. Wenn der Regen dann kommt, muss es losgehen.
Aber nicht nur die Pflanzen produzieren Duftstoffe: „Die Natur arbeitet mit Chemikalien, um sich mitzuteilen. Pflanzen und Bakterien verfügen über diese leicht flüchtigen, über Aerosole verteilbaren Stoffe, um zu kommunizieren oder anzulocken. Im Falle der Pflanzen sind das alle Krabbeltiere, die die Pflanzen bestäuben können. Auch Bakterien kommunizieren über chemische Prozesse, und dafür brauchen sie alle diese Duftstoffe“, erklärt Thomas J. J. Müller.
Damit wären wir bei Zweitens: die Bakterien. Also noch mal: Weil es trocken ist, produzieren die Pflanzen viele Duftstoffe, um sich bei der nächsten Gelegenheit mitzuteilen. Den Insekten mitzuteilen, um von ihnen bestäubt zu werden.
Die Bakterien feiern aber eine andere Parfüm-Party: Die Streptomyceten, Bodenbakterien, sondern Geosmin ab, das modrig-erdig, ähnlich wie Rote Beete riecht. Im Gegensatz zu den Pflanzen aber nicht bei Trockenheit, weil sie dann ihren Stoffwechsel auf Sparflamme geschaltet haben. Sondern erst bei Regen geht es los mit der Duft-Produktion, dann aber sofort.
Und schließlich ist da noch Drittens: der Steinstaub, also Mineralienpulver. Das sind Kleinpartikel, die in unseren Nasen ein Geruchsempfinden auslösen.
Kommt dann der Regen, dann gehen buchstäblich alle Poren auf und der Cocktail wird freigesetzt. Die Pflanzen können endlich ihre Duftstoffe an den Mann bringen, die Bakterien legen kräftig los und die Staubnote im Boden wird auch vom Wasser freigesetzt. Die auf dem Boden und den Pflanzenblättern zerplatzenden Regentropfen bilden dann das Aerosol, an das sich die Duftstoffe binden können, sodass schon ein leichtes Lüftchen reicht, um den Petrichor zu verwehen. Und fertig ist der Sommerregen.