Die Nordbahntrasse kann der längste Campus der Welt werden
Heute feiert die Wuppertalbewegung ihren 10. Geburtstag. Die Party gibt es wegen des besseren Wetters zwar erst im Juni. Rück- und Ausblick hängen aber nicht vom Wetter ab.
Wuppertal. In 21 Wuppertalern dürfte der Anblick des Kalenders heute ein erhebendes Gefühl auslösen. Sie sind die Gründungsmitglieder eines Vereines, der scheinbar Unmögliches möglich gemacht hat. Sie sind die Menschen der ersten Stunde in der Wuppertalbewegung. Was sie mit Hilfe zahlloser Ehrenamtler, Spender und Sponsoren ins Werk setzten, wird heute täglich von Tausenden Radlern, Sportlern und Spaziergängern genutzt. Ohne Wuppertalbewegung keine Nordbahntrasse, so die einhellige Meinung in der Stadt.
Für Carsten Gerhardt ist die Geschichte der Bewegung damit aber längst noch nicht zu Ende. „Die Trasse ist nutzbar, das ist ein Grund zu feiern. Was mich überrascht und sehr freut, ist, dass die Trasse von vielen Menschen auch als Treffpunkt genutzt wird.“ Der Unternehmensberater ist Erfinder und Motor der Wuppertalbewegung. Heute hat der Verein mehr als 1000 Mitglieder, Stiftungen und Unternehmen haben ihm mit Geldgeschenken in Millionenhöhe geholfen, die einstige Eisenbahntrasse in einen der sicher spektakulärsten Verkehrs- und Freizeitwege weit und breit umzubauen. Die Nordbahntrasse ist der neue Star Wuppertals. Aber fertig ist sie noch nicht. „Es wird manchmal unterschätzt, was noch alles zu tun ist“, sagt Gerhardt.
Tatsächlich ist auf der Trasse immer etwas los. Baustellenfahrzeuge und Warnbaken zeugen davon, dass Asphaltband und Fußgängerpflaster eben nicht alles sind. Brücken müssen saniert, Flächen hergerichtet werden. Gerhardt und seine Mitstreiter wachen mit Argusaugen, aber nicht immer mit Erfolg darüber, was geschieht. Seit Jahr und Tag kritisiert der Verein, dass die Stadt Brücken abreißt, die leicht reparabel gewesen wären. Sie bemängelt, dass sie von solchen Arbeiten erst erfährt, wenn Vereinsmitglieder die Bagger sehen.
Dabei ist die Wuppertalbewegung immer noch auch die Betreibergesellschaft der Trasse. Sie ist für die Verkehrssicherung zuständig. Darauf legt Gerhardt zwar keinen Wert, weil diese Leistung von der Stadt einfacher und wahrscheinlich sogar kostengünstiger erbracht werden könnte. Aber der Verein kämpft immer noch um ein Mitspracherecht. Er will gehört werden, wenn die Stadt beabsichtigt, an der Trasse etwas zu verändern, abzureißen oder zu bauen.
Und die Wuppertalbewegung bietet weiter ihre aktive Mitarbeit an. „Dass wir Projekte abwickeln können, haben wir doch bewiesen — und zwar mindestens genauso gut, dafür aber erheblich preisgünstiger als die Stadt“, sagt Gerhardt. Er wirbt beispielsweise immer noch dafür, Brücken mit Deponiefolie abzudichten. Davon ist die Stadt aber weiter nicht überzeugt. Sie zieht es vor, die Bauwerke zu erneuern.
Die Streitpunkte von gestern zwischen Verein und Verwaltung sind auch noch die Streitpunkte von heute. Aber der Ton hat sich geändert. So gibt es Signale, dass sich die Wuppertalbewegung um die Verlängerung der Trasse nach Langerfeld kümmern darf. Bisher galt das als vom Rathaus unerwünscht.
Darüber hinaus hat Carsten Gerhardt mit der Nordbahntrasse noch Großes vor. Er will dafür werben, dass die Industriegebäude wie das von Goldzack und Happich an der gut 20 Kilometer langen Strecke neu genutzt werden. „Die Trasse könnte der größte Campus der Welt werden, wenn es gelänge, dort Forschungseinrichtungen und Institute anzusiedeln“, sagt Gerhardt. Die Basis dafür sei mit der Uni, der Junior Uni und dem Wuppertal Institut in Wuppertal vorhanden. Die Idee sei, dass Menschen auf engem Raum miteinander konkrete Zukunftsthemen besprächen. So funktioniere Silicon Valley in den USA.
„Außerdem wäre es schön, wenn solche alten Gebäude erhalten bleiben könnten, statt zugunsten von Discountmärkten abgerissen zu werden.“