Meinung Offen gesagt: Der Dezernentenstadl

Wuppertals Dezernentenstadl geht wieder auf Sendung. Nach der versehentlichen Wiederwahl des Dezernenten für Stadtentwicklung und der geglückten Abwahl des Dezernenten für Bürgerbeteiligung schafft der Stadtrat es diesmal, eine Wahl auf den letzten Drücker abzusagen.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Das kommt auch nicht allzu häufig vor. Aber Wuppertal macht’s möglich. Warum? Weil jemand gedacht hat. Das ist im Grunde nicht schädlich. Aber manchmal ist fragen sicherer. Vor allem dann, wenn es um Entscheidungen von gewisser Tragweite geht.

Für Matthias Nocke kommt diese Erkenntnis vermutlich zu spät. Er sollte am Montag in seinem Amt als Beigeordneter für Sicherheit, Ordnung, Kultur und Sport bestätigt werden. Doch Oberbürgermeister Andreas Mucke (SPD) nimmt den Punkt von der Tagesordnung der Ratssitzung. Denn irgendwer in der Düsseldorfer Bezirksregierung hat sich daran erinnert, dass Wuppertals nun noch vierköpfiger Dezernentenriege der Volljurist fehlt. Die Kommunalverfassung schreibt die Mitgliedschaft eines Juristen mit Befähigung zum Richteramt vor. Das ist für Großstädte zwar müßig, weil es in großen Stadtverwaltungen wie auch in Wuppertal Rechtsämter mit Volljuristen gibt. Aber Statuten sind Statuten. Und Regeln wollen in Deutschland eingehalten werden, auch wenn sie noch so überflüssig sind und in Wuppertal von 2010 bis 2015 auch nicht eingehalten wurden.

All das hat OB Mucke gewusst. Er wusste, dass die Bezirksregierung auf die Wahl eines Volljuristen pocht. Umso spannender ist die Reaktion. „Wir haben gedacht, das gelte für die Wahl eines neuen Dezernenten.“ Manchmal ist Nachfragen eben besser als Denken.

Leidtragender ist Matthias Nocke. Dabei scheint die Arbeit des Christdemokraten so ordentlich zu sein, dass auch Ratsleute außerhalb der GroKo aus SPD und CDU ihn wiederwählen wollten. Dazu wird es zumindest vorläufig nicht kommen. Das ist vielleicht ungerecht, aber es ist auch das Risiko, das ein Wahlbeamter eingeht, wenn er sich für diese Karriere entscheidet.

Ernüchternd ist das Licht, das die ganze Geschichte auf Wuppertals Führungsspitze wirft. Seit der Abberufung des Beigeordneten Paschalis vom Posten des Beigeordneten im Juni ist das Thema Volljurist im Rathaus bekannt. Aber offenbar ist niemand auf die Idee gekommen, bei den übergeordneten Behörden sicherzustellen, dass die Wahl eines Volljuristen in den Verwaltungsvorstand bis ins Jahr 2022 Zeit hat, wenn für Stadtkämmerer Johannes Slawig aus Altersgründen sowieso ein neuer Dezernent gewählt werden muss. Die neue Peinlichkeit knüpft nahtlos an den Irrtum um Paschalis und die vergebliche Suche nach einem neuen Dezernenten für Stadtentwicklung an. Nun hat die Mannschaft um den Oberbürgermeister die Fehlleistung auf die Spitze getrieben — mit der Folge, dass der Stadtrat nicht mehr Herr über seine Personalpolitik ist. Denn die Mehrheit will sich von Nocke nicht trennen, muss jetzt vielleicht aber, weil jemand im Rathaus an der falschen Stelle gedacht statt gefragt hat.

Letztlich ist das nur eine Personalie, ein Einzelschicksal, das Mitleid verdient, auch weil es jemanden trifft, der anscheinend gute Arbeit leistet.

Viel schlimmer aber ist die Erkenntnis, dass an der Spitze des sogenannten Konzerns Stadt, der im Jahr 1,2 Milliarden Euro umsetzt und 5000 Menschen beschäftigt, Leute zu stehen scheinen, die mit ihrem Auftrag überfordert sind.

Das wirft Fragen auf und gibt Anlass zur Sorge.