Stuttgart 2015 So schmeckt Kirchentag in Württemberg
Stuttgart. Kirchentag kann man sich auf der Zunge zergehen lassen. Besonders an einem Abend wie diesem, wenn sich die Hitze des Tages gelegt hat und die Stuttgarter Innenstadt zum Bummeln einlädt.
Gut, manchmal ist es auch ein Drängeln, Schieben und Auf-der-Stelle-Treten. 81 000 Gäste haben die Organisatoren bei den Eröffnungsgottesdiensten gezählt. Und die wollen jetzt feiern, essen und trinken.
Sieben Regionen umfassen die evangelischen Landeskirchen von Württemberg und Baden. Von sieben Schöpfungstagen erzählt die Bibel. Was liegt da für beschwingte Christenmenschen näher, als die Regionen in der Innenstadt verteilt entlang der Schöpfungserzählung zu präsentieren?
Ob der gemeine Kirchentagsbesucher die Schwarzwälder Kirschtorte der Region Schwarzwald-Rheinebene nun allerdings mit dem dritten Schöpfungstag und dem Motto "Die Erde lässt wachsen" in Verbindung bringt, ist wohl eine Frage der christlichen Sozialisation. Andererseits: Die Kirschen sind ja auch irgendwie Teil der Schöpfung.
Klar ist jedenfalls: An diesem Abend wird beinahe jedes Getränk und Gericht religiös aufgeladen. Die Mettwurst wird ökumenisch und der Kirchentag nimmt mehr und mehr die Farbe Rot an. Das liegt nicht so sehr an dem Alkoholkonsum der Gäste, sondern an den Verkaufszahlen des identitätsstiftenden Kleidungsstücks. Wenn auch das Singen in den Straßenbahnen längst nicht mehr zum guten Ton eines Kirchentages zählt, der Schal mit dem Motto "Damit wir klug werden" ist wieder ein Renner - und ist diesmal halt in Rot gehalten.
Ein bisschen Rot konnte man auch während des Eröffnungsgottesdienstes auf dem Schlossplatz sehen, als das Lied "Klüger" etwas voreilig zur neuen Hymne des diesjährigen Kirchentages ausgerufen wurde. Viel seichter geht's nimmer, weder textlich noch melodiös. Aber dieser Ausflug in den gesanglichen Glaubenskitsch sei jedem gegönnt, der es mag. Wie hatte doch Bundespräsident Gauck zur Eröffnung gesagt? "Kirchentage sind auch Motivationstraining für alle, die an den Problemen der Welt nicht vorbeisehen wollen." Ab Donnerstag wird es ernst.