Seit 30 Jahren Wahlhelfer: „Ich sehe das als Bürgerpflicht an“
Axel Fischer aus Düsseldorf ist seit 30 Jahren Wahlhelfer. Ein Gespräch über Pannen beim Wahlgeheimnis, Ärger am Wahltag und eine sinkende Wahlbeteiligung.
Düsseldorf. Wenn am Wahlsonntag um 18 Uhr die Wahllokale schließen, haben sie noch nicht Feierabend: die rund 650 000 Wahlhelfer, die deutschlandweit bei der Bundestagswahl in etwa 88 000 Wahllokalen im Einsatz sind. Dann geht das Auszählen der Stimmzettel los — öffentlich, wohlgemerkt. Jeder, der möchte, kann den Freiwilligen dabei auf die Finger schauen. Was sich alles im Laufe eines Wahlsonntags abspielen kann, weiß Axel Fischer (53). Er ist seit 30 Jahren Wahlhelfer in der Landeshauptstadt und seit 16 Jahren Wahlvorsteher in seinem Wahlbezirk 41. Das Wahllokal, für das der städtische Mitarbeiter zuständig ist, wird praktischerweise an seinem Arbeitsplatz eingerichtet: im Straßenverkehrsamt.
Herr Fischer, warum opfern Sie Ihren Sonntag regelmäßig für Wahlen?
Axel Fischer: Das ging bei mir ganz früh los: Ich habe vor 30 Jahren bei der Stadtverwaltung angefangen und bin gleich als Reserve eingesetzt worden. Ich hab mich dann bald freiwillig gemeldet. Bin ja eh immer drangekommen. Ich sehe das aber auch als eine Bürgerpflicht an. Ich habe eine ziemlich lange Anfahrt, könnte mich heute also vom Einsatz befreien lassen. Das will ich aber nicht. Wir können froh sein, dass wir überhaupt wählen dürfen.
Was passiert denn alles an Wahlsonntagen, was waren Ihre Highlights?
Fischer: Zum Großteil waren es Pannen beim Wahlgeheimnis, die mir im Gedächtnis geblieben sind. Zum Beispiel eine Oma, die nicht mehr gut sehen konnte und mich mit in die Kabine bat. Damit ich ihr helfe, an der richtigen Stelle das Kreuzchen zu machen. In der Kabine quakte sie dann aber in einer Lautstärke, dass es jeder hören konnte: „Wo steht denn jetzt die CDU?!“ Oder Kinder, die mit in die Kabine genommen wurden und dann laut riefen: „Mama, warum machst du dein Kreuz bei der SPD?“
Welche Pannen kommen sonst noch vor?
Fischer: Was oft passiert, ist, dass die Leute im falschen Wahllokal stehen. Die muss man dann leider wieder wegschicken. Genauso wie diejenigen, die reinkommen und sagen, ihre Frau sei leider verhindert, aber man habe eine Vollmacht und wolle jetzt bitte für sie abstimmen.
Gab das auch schon mal Ärger?
Fischer: Ja, manchmal. Wenn Bürger Briefwahlunterlagen beantragt haben, wird das natürlich auf unseren Listen vermerkt. Sonst könnten sie ja ihre Stimme doppelt abgeben. Manche vergessen das schon mal und wollen ihre Stimme dann doch noch am Wahlsonntag abgeben. Von denen haben einige schon mal einen kleinen Aufstand gemacht. Aber nur ein Mal musste ich jemanden aus dem Wahllokal werfen.
Was war passiert?
Fischer: Ein Parteinanhänger hat im Wahllokal noch versucht, die Leute von seiner Partei zu überzeugen. Hat sie angesprochen und erklärt, seine Partei sei das einzig Wahre. Das geht natürlich überhaupt nicht. Am Wahltag dürfen ja nicht mal mehr Wahlplakate im direkten Umfeld des Wahllokals hängen.
Um welche Partei ging es?
Fischer: Das möchte ich lieber nicht sagen. Aber das Ganze ist fast zehn Jahre her und die Partei gibt es so heute nicht mehr.
Glauben Sie, dass Wahlplakate vor dem Wahllokal am Tag der Wahl wirklich zu stark beeinflussen könnten?
Fischer: Anscheinend ist das so. Auch wenn das kein schöner Gedanke ist, dass manche ihre Wahl nach dem Plakat vor der Tür treffen. Bei einem Bürgerentscheid vor einigen Jahren, bei dem man ja nur mit Ja oder Nein stimmen darf, wurde es uns Wahlhelfern sogar verboten, Trinkpäckchen oder andere Sachen auf unsere Tische zu stellen, auf denen beispielsweise das Wort Ja steht.
Verwundert der Wähler Sie manchmal?
Fischer: Ja. In unserem Bezirk gibt es 1600 Wahlberechtigte. Wenn es gut läuft, kommen 400, um ihre Stimme abzugeben. Hier ist es besonders schlimm mit der Wahlbeteiligung, die Briefwahl reißt das auch nicht raus. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum ich in meinem Familien- und Bekanntenkreis ständig Werbung für den Gang zur Wahlurne mache. Was gewählt wird, ist mir dabei relativ egal. Nur darf die Stimme nicht verschenkt werden. In diesem Jahr erst recht nicht.
Sie meinen, weil das bestimmen könnte, wer das Rennen um Platz drei macht? Die AfD möglicherweise?
Fischer: Zum Beispiel. Grundsätzlich gilt: Die Extremen gehen immer zur Wahl. Das muss einem bewusst sein. Wenn die Gemäßigten zu Hause bleiben, ist das ein enormer Vorteil für sie.
Angenommen bei der Landtagswahl im Mai wäre die AfD wirklich beim Auszählen um Stimmen von Wahlhelfern betrogen worden — könnten Sie ein solches Verhalten verstehen?
Fischer: Nein, überhaupt nicht. Wer mit der Wirklichkeit nicht leben kann, der sollte kein Wahlhelfer sein. Natürlich wünsche ich mir manchmal auch andere Wahlergebnisse. Aber das tut nichts zur Sache. Das spielt der AfD ja nur noch in die Hände. Mich wundert aber, wie das passiert sein soll, schließlich sind die Auszählungen öffentlich.
Kennen Sie Ihre Wahlhelfer-Kollegen gut?
Fischer: Ja, jahrelang. Wir sind ein eingespieltes Team. Das hilft später beim Auszählen. Wir sind da wirklich schnell. Nur einmal hat sich ein Kollege verrechnet, was beim Gegenzählen aber aufgefallen ist.
Gibt es eine auffällige Entwicklung über die 30 Jahre?
Fischer: Die Wahlbeteiligung. Dass die immer mehr abnimmt, sehen wir von Wahl zu Wahl.