Der Brexit und die Folgen EU-Parlamentspräsident Schulz: "Großbritannien drohen schwierige Zeiten"

Brüssel. Der Wunsch der britischen Wähler nach einem EU-Austritt wird laut EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) nun zügig umgesetzt werden. Die anderen Staaten würden Europa zugleich besser machen, so Schulz im Gespräch mit unserer Zeitung.

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz plädiert für einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Brexit-Abstimmungsergebnis.

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F: Herr Schulz, wie groß ist ihre Enttäuschung?

A:
Ich hätte mir ein anderes Ergebnis gewünscht und das wäre auch besser für Großbritannien und besser für Europa gewesen. Aber die britischen Wähler haben anders entschieden und das respektiere ich selbstverständlich. Nun müssen wir mit diesem Ergebnis verantwortungsvoll umgehen.

F: Droht jetzt ein Zerbrechen, ein Kollaps der gesamten EU?

A:
Nein, das glaube ich nicht. In den meisten Mitgliedsländern ist die überwältigende Mehrheit klar für Europa. Gerade angesichts der Gedenktage, die wir in diesem Jahr begehen und bei denen wir an die Schrecken des 1. und 2. Weltkrieges erinnern, spüren die Menschen doch sehr genau, dass die europäische Einigung seit Jahrzehnten einen stabilen Frieden auf unserem Kontinent sichert. Wir sind der sicherste, stabilste und wohlhabendste Kontinent weltweit und wir sollten alles dafür tun, dass das so bleibt. Angesichts der globalen Herausforderungen ist nun ein solidarisches Unterhaken in Europa gefragt, nicht ein nationalistisches Gegeneinander.

F: Aber wie wollen Sie einen Dominoeffekt verhindern?

A:
Viele Populisten wittern jetzt Morgenluft und wollen ihren parteipolitischen Profit aus dem Abstimmungsergebnis in Großbritannien ziehen. Dabei ist doch jetzt schon abzusehen, dass Großbritannien auf schwierige Zeiten zuläuft: Das Pfund gerät ins Wanken und Schottland hat bereits erklärt, dass sein Platz eher in Europa ist. Vielleicht sehen wir eher einen negativen Dominoeffekt in Großbritannien und nicht in Europa, wenn erst einmal die Folgen dieser Abstimmung sichtbar werden.

F: Brauchen wir jetzt erst Recht ein Kerneuropa?

A:
Nein, was wir brauchen ist ein Europa, das sich um die Probleme der Menschen kümmert. Die Leute wollen keine Institutionendebatten sondern ein gutes und ein sicheres Leben. Dazu leistet Europa schon jetzt einen entscheidenden Beitrag. Aber ich will, dass wir noch besser werden.

F: Was muss sich in der EU dringend ändern?

A:
Wir werden den Wunsch der britischen Wähler jetzt zügig umsetzen. Und innerhalb der verbleibenden 27 Mitgliedstaaten werden wir dann Europa besser machen. Also konkret einen größeren Schwerpunkt darauf setzen, dass mehr und gut bezahlte Jobs entstehen. Dass nicht nur die hart arbeitenden Menschen, die sich an die Regeln halten, brav ihre Steuern zahlen, sondern auch multinationale Konzerne und Milliardäre, die teilweise ihr Geld immer noch ganz legal in Steueroasen verstecken können. Dass wir den internationalen Terrorismus bekämpfen. Dass wir die Migrationskrise gemeinsam angehen. Dass wir also die Probleme lösen, damit das Leben der Menschen auf unserem Kontinent sicher bleibt.