Der Brexit und die Folgen Tony Cragg zum Brexit: "Ich bin schockiert, wütend und tieftraurig"

Der Bildhauer Tony Cragg kritisiert die Brexit-Entscheidung seiner Landsleute scharf. An ein vereintes Europa glaubt er dennoch weiter.

Tony Cragg war und ist Gegner des Brexit.

Mister Cragg, wie bewerten Sie die Entscheidung Ihrer Landsleute?

Tony Cragg:
Ich bin schockiert, wütend und traurig. Der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union ist ein gravierender Fehler von historischer Bedeutung.

Warum?

Cragg:
Weil wir in Europa eine gemeinsame Kultur haben, eine gemeinsame Identität. Das ist jetzt bedroht. Es ist schrecklich.

Wie konnte es zum Brexit kommen?

Cragg:
Die Befürworter des Austritts haben mit Lügen gearbeitet, nicht mit Fakten. Da sind Scheinpatrioten am Werk. Sie versprechen Dinge, die sie nicht halten können. Ohne die EU wird Großbritannien wirtschaftlich wieder zum kranken Mann Europas. So wie damals, als die Briten noch nicht in der Gemeinschaft waren.

Ist das der Anfang vom Ende der Idee eines vereinten Europas?

Cragg:
Ich hoffe nicht. Die Idee ist gut und lebt weiter. Sie hat uns 70 Jahre Frieden und Wohlergeben beschert. Das dürfen wir nicht aufs Spiel setzen.

Fürchten Sie eine Rückkehr zum Nationalismus?

Cragg:
Die Brexit-Befürworter haben die Ängste der Menschen geschürt. Sie bieten nur Scheinlösungen. Ich fürchte, dass die Rückkehr zum Nationalismus denkbar ist, weil die Menschen für schlichte Lösungen leider empfänglich sind. Zum Beispiel in Frankreich und in den Niederlanden. In beiden Ländern werden die Rechtspopulisten sich jetzt für ein Referendum einsetzen, um ebenfalls die EU zu verlassen.

Ist das falsch? Solche Volksentscheide sind schließlich ein legitimes demokratisches Instrument?

Cragg:
Das stimmt. Trotzdem sollten Fragen von solcher Tragweite nicht in einem Referendum entschieden werden, weil sich Volkes Stimme zu leicht beeinflussen lässt. Das Leben ist komplizierter, als nur mit Ja oder Nein zu antworten. Fragen Sie die Leute doch mal, ob die Steuern abgeschafft werden sollen. In einer so hasserfüllten Atmosphäre wie jetzt in Großbritannien würde sich auch für einen solchen Unsinn eine Mehrheit finden. Ich glaube, das wäre auch in Deutschland so.



Tony Cragg, Bildhauer Fällt das Vereinigte Königreich jetzt auseinander?

Cragg:
Gut möglich. Vor allem die Menschen in Schottland möchten in der EU bleiben. Dort wird es jetzt erneut einen Volksentscheid geben. Und ich bin sicher, dass die Mehrheit sich gegen London und für die EU ausspricht.

Warum gibt es in England so eine Anti-EU-Stimmung?

Cragg:
Das verstehe ich auch nicht. Die Region um Cornwall zum Beispiel hat so viel Geld aus Brüssel bekommen. Die Menschen profitieren von der EU und wollen trotzdem raus aus der Gemeinschaft.

Welche Rolle spielen die Einwanderer?

Cragg:
Die Brexit-Fans haben eine regelrechte Hetze gegen die Einwanderer aus der EU betrieben, vor allem gegen Menschen aus Osteuropa. Das ist sachlich unbegründet, aber es funktioniert. Die Lügen waren erfolgreich. Aber bald werden die Menschen merken, dass es ihnen nicht besser, sondern schlechter geht. Vielleicht wird der Brexit scheitern. Vielleicht gibt es schon bald eine neue Abstimmung, weil die Stimmung sich dreht.

Sie sind Brite, leben und arbeiten aber in Wuppertal. Was bedeutet der EU-Austritt für Sie persönlich?

Cragg:
Ich weiß es nicht genau. Aber womöglich beantrage ich jetzt einen deutschen Pass.