30 Jahre nach Mauerfall Familien in Ost und West gleichen sich an

Wiesbaden · Als am 9. November 1989 die Mauer fiel, waren Familien in der DDR und in der BRD in vielem verschieden. Inzwischen hat sich manches angeglichen - aber noch nicht genug, sagt eine Familienforscherin.

 30 Jahre nach dem Mauerfall gleichen sich die Familienverhältnisse in Ost und West immer mehr an.

30 Jahre nach dem Mauerfall gleichen sich die Familienverhältnisse in Ost und West immer mehr an.

Foto: dpa/Paul Zinken

30 Jahre nach dem Mauerfall gleichen sich die Familienverhältnisse in Ost und West immer mehr an. So gibt es inzwischen etwa ähnlich viele Hochzeiten pro Einwohner. Mütter sind bei der Geburt des ersten Kindes annähernd gleich alt. Und auch der Trend zu Alleinerziehenden ist ein gesamtdeutscher, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag berichtete.

Einige Unterschiede bestehen aber fort, wie die Statistiker in Wiesbaden aufschlüsselten: Im Westen sind Eltern zum Beispiel häufiger verheiratet. Und im Osten werden mehr Kleinkinder betreut. Für Prof. Michaela Kreyenfeld, Familienforscherin an der Hertie School of Governance in Berlin, stellt sich daher eher die Frage: „Warum sehen wir nach 30 Jahren immer noch so große Unterschiede? Die Leute, die heute Kinder kriegen, haben ja kaum noch DDR-Erfahrung.“

„Es ist nicht nur der Osten, der sich dem Westen annähern muss, sondern auch umgekehrt“, sagt Kreyenfeld: „Was die Familienstrukturen betrifft war der Osten in vielerlei Hinsicht "moderner" als der Westen.“ Die Kinderbetreuungssituation sei in der DDR besser gewesen, erst seit 2005 ziehe der Westen nach; das Babyjahr der DDR sei dem 2007 bundesweit eingeführten Elterngeld nicht unähnlich.

Die Familienpolitik habe viel zur Angleichung beigetragen, sagt Kreyenfeld, sie könne dafür sorgen, gleiche Voraussetzungen zu schaffen. Und doch spielen bei der Familiengründung immer auch Faktoren eine Rolle, die sich nur sehr langsam ändern, etwa religiöse Bindung, der Wert der Ehe oder die Frage, ob Kinder zu Hause betreut werden sollen. „Ich glaube nicht, dass wir da sehr schnell eine Angleichung sehen“, sagt Kreyenfeld. „Da wird über Generationen etwas weitergegeben. Das ist das Erstaunliche.“

Das Statistische Bundesamt nahm den Mauerfall am 9. November 1989 zum Anlass, sich diverse Zeitreihen anzusehen. Beispiel Eheschließungen: 1991 heirateten von 1000 Einwohnern in der damaligen DDR nur 3,2 Menschen, im Westen dagegen 6,3. Inzwischen ist der Unterschied marginal. 2017 waren es im Osten 5,1 und im Westen 5,0. Beispiel Alter von Müttern: 1989 waren Frauen in der DDR bei der Geburt ihres ersten Kindes 23, in der BRD 27 Jahre alt. 2018 bekamen Ost-Frauen ihr erstes Kind im Osten mit 29, West-Frauen mit 30 Jahren.

Weniger angeglichen hat sich die Einstellung zur Ehe. 1989 waren im Westen 90 Prozent aller Eltern verheiratet, im Osten nur 66 Prozent. 2018 hatten in den ostdeutschen Ländern 43 Prozent aller Neugeborenen verheiratete Eltern, in den westlichen Ländern waren es 71 Prozent. Was die Geburtenrate angeht, muss man die Demografie im Auge behalten. „Aufgrund der Unterschiede im Altersaufbau der Bevölkerung leben in den ostdeutschen Bundesländern gegenwärtig weniger potenzielle Eltern“, erklären die Statistiker. Obwohl ostdeutsche Frauen im Durchschnitt mehr Kinder bekommen, wurden 2018 im Osten nur acht Kinder je 1000 Einwohner geboren, im Westen dagegen zehn.

Am deutlichsten sind die Unterschiede bei der Kindertagesbetreuung. Während im Jahr 2018 rund jedes zweite ostdeutsche Kind unter drei Jahren in einer Kindertageseinrichtung oder bei einer Tagesmutter betreut wurde, war es im Westen weniger als jedes drittes Kind. Die meisten männlichen Elterngeldbezieher gab es 2018 in Sachsen (28 Prozent), Schlusslichter sind das Saarland (17 Prozent) sowie Rheinland-Pfalz (20 Prozent).

(dpa)