Ehec-Fahnder leisten Detektivarbeit
Eine Spezialtruppe war dem Erreger seit Wochen auf der Spur.
Leipzig. Lieferlisten, Köche, Touristen-Fotos und Patientenbefragungen haben die Ehec-Fahnder nach langem Rätselraten auf die richtige Spur gebracht. Fast sechs Wochen, nachdem in Deutschland die ersten Menschen an dem Darmkeim erkrankten, haben die Experten Gemüsesprossen als Übeltäter eingekreist.
In akribischer Kleinarbeit suchen Mediziner, Wissenschaftler und Lebensmitteltechniker seit Mai nach der Quelle des Erregers, an dem in Deutschland bislang mehr als 2800 Menschen erkrankten und mindestens 31 starben. Helmut Tschiersky-Schöneburg, Präsident des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), vergleicht die Arbeit mit einem „Kriminalfilm, in dem es darum geht, aufgrund einer Indizienkette den Täter zu überführen“.
Die Ergebnisse der ersten Patientenbefragungen hatten zunächst auf ein erhöhtes Krankheitsrisiko durch Tomaten, Gurken und Salat hingedeutet. Folglich warnten das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und das Robert-Koch-Institut (RKI) vor dem Verzehr dieser Gemüsesorten.
Vor gut einer Woche dann gab es eine erste konkrete Spur: Nach der Überprüfung der Lieferwege gerieten die Sprossen eines Erzeugers in Bienenbüttel im niedersächsischen Landkreis Uelzen unter Ehec-Verdacht. Ein entscheidender Schritt gelang den Experten mit einer Studie, bei der 112 zum Teil erkrankte Restaurantbesucher nach ihren Menüs befragt wurden.
Zusätzlich durchforsteten die Ehec-Fahnder Bestelllisten, befragten Köche nach Zutaten und werteten Fotos aus, auf denen Touristen ihre vollen Teller abgelichtet hatten. Das Ergebnis war eindeutig: Wer Sprossen gegessen hatte, trug ein neunfach höheres Risiko, an Ehec zu erkranken, als andere.
All diese Daten flossen bei einer Spezialtruppe im Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) zusammen. Die Arbeitsgruppe untersucht nun Hotels, Kantinen und Restaurants, in denen es zu gehäuften Erkrankungen gekommen ist. Ihr Ziel: Durch eine Analyse der Lieferwege den entscheidenden „Knotenpunkt“ finden und damit auch die Quelle der Epidemie.
In bislang 26 Fällen lässt sich die Spur zu dem Sprossen-Erzeuger in Niedersachsen zurückverfolgen. Einen entscheidenden Treffer hatten Mitarbeiter des Chemischen und Veterinäruntersuchungsamts Rhein-Ruhr-Wupper in Krefeld gelandet. Sie konnten den Erreger erstmals in einer Packung Sprossen nachweisen, die nach bisherigen Erkenntnissen aus Bienenbüttel stammt. Die Sprossen fanden sie in der Mülltonne einer teilweise erkrankten Familie.
Noch ist unklar, wie der Erreger auf die Sprossen gelangte. Vielleicht wurde er durch Menschen übertragen; eine Mitarbeiterin des Bienenbütteler Hofes war an Ehec erkrankt. Auch eine Verseuchung durch Wasser, Saatgut oder Lieferanten ist denkbar.