WM-Trainerbänke als Männerdomäne

Berlin (dpa) - Frauen an die Macht? Zumindest auf den Trainerbänken der WM-Teilnehmer ist die Emanzipation noch nicht restlos angekommen. Angeführt von Weltmeister-Coach Silvia Neid besetzen nur sechs Fußballfrauen die 16 „Schaltstellen der Macht“.

Aber Übungsleiterinnen wie Kanadas Carolina Morace oder Pia Sundhage von den USA beweisen: Die Männerdomäne gerät ins Wanken - auf lange Sicht vielleicht nicht nur im Frauenbereich. „Ich denke, dass der Fußball herausfinden wird, dass da sehr viele gute Trainerinnen im Frauenfußball sind, die den Männerfußball voranbringen können. Frauen werden den Männerfußball voranbringen mit neuen Ideen“, sagte Sundhage der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vor WM-Anpfiff in einem Interview.

Früher galt der Job als Nationaltrainer einer Frauenauswahl - zumindest für Männer - als wenig reizvoll. „Ich glaube, dass meine lieben Trainerkollegen wie Vogts, Osieck, Köppel oder Ribbeck froh waren, dass sie nicht diesen Auftrag bekommen haben“, erinnerte sich jüngst im „Kicker“ Gero Bisanz, der von 1982 bis 1996 erster Trainer einer deutschen Frauen-Nationalelf war und keinen Hehl daraus machte, dass ihn der Job anfangs kaum begeisterte.

Seine Nach-Nachfolgerin Neid meinte hingegen kurz vor der WM: „Meiner Meinung nach habe ich ohnehin den schönsten Job. Es gibt nichts Schöneres als Bundestrainerin zu sein.“

Zustimmung würde sie sicher auch von Morace erhalten. Die Italienerin sorgte 1999 sogar für eine Sensation: Sie übernahm eine Männerprofimannschaft. Über ihr Engagement beim italienischen Drittligisten Viterbese Calcio sagte sie damals: „Ich bin vielleicht die erste Frau in einer solchen Position, aber das ist nichts Besonderes. Ich bin hier, weil ich hart gearbeitet habe.“

Wenige Wochen nach ihrem Dienstantritt war sie jedoch wieder weg. Die prinzipientreue Morace empörte sich, dass sich der damalige Präsident Luciano Gaucci in ihre Belange einmischte. „Dieser Mann versteht nichts vom Fußball“, zischte sie und warf hin.

Ihren eigenen Weg verfolgt auch Sundhage. Die gebürtige Schwedin wird allseits für ihre Kompetenz geschätzt - und das soll sich sogar bis zum Männerteam ihres Heimatlandes herumgesprochen haben. Angeblich schwirrte 2009 auch ihr Name durch die Gänge der schwedischen Verbandsspitze, bis man sich aber für Erik Hamren als Nationaltrainer entschied.

Die Berufung Sundhages hätte einen Meilenstein dargestellt - nicht nur in sportlicher Hinsicht. Sondern vor allem aus soziokultureller Perspektive, weil die 51-Jährige offen und ungezwungen mit ihrer Homosexualität umgeht. „In meiner schwedischen Heimat sind wir aufgeschlossen. In der Kulturszene ist es überhaupt kein Problem, sich zu outen. Im Fußball ist das anders. Gerade bei den Männern ist es nicht leicht in der Umkleidekabine, wenn ein Spieler nicht den gemeinen Vorstellungen eines Manns entspricht“, meinte Sundhage.

Die Anekdote um Sundhage legt eines nahe: Die Männerdomäne Trainerjob gerät ins Wanken. Allein die Chromosomen-Paarung XY wird die Phalanx altgedienter WM-Trainer wie Mexikos Leonardo Cuellar oder Australiens Tom Sermanni kaum auf Dauer schützen.