Kanada 2015 Celia Sasic - Das Drama der anderen Art

Ausgerechnet die Frohnatur wird zur untröstlichen Figur.

Celia Sasic (r) verschoss einen Elfmeter.

Foto: Carmen Jaspersen

Montreal. Es gibt diese Momente, in denen das Fußball-Leben mal eben inne hält. Und so stand Celia Sasic nun mit Schlusspfiff wie festgewurzelt, seitlich vom Anstoßkreis, die Hände in die Hüfte gerammt und den Blick an die eigenartige Dachkonstruktion gerichtet, die das Olympiastadion von Montreal überspannt. Simone Laudehr war die erste Mitspielerin, die herbeieilte. Alex Morgan kam als erste Gegenspielerin, um Trost zu spenden.

Aber die Mittelstürmerin war längst abgetaucht in ihren Tunnel der Trauer. Wieso konnte sie von derselben Stelle, an der sie im Viertelfinale noch gegen Frankreich zwei Elfmeter zielgenau in die linke Ecke gejagt hatte, nun im Halbfinale gegen die USA den Strafstoß nur links neben den Pfosten setzen? Nach rund einer Stunde beim Stande von 0:0.

Später in der Mixed Zone versuchte die bislang sechsmal erfolgreiche WM-Torschützin, obwohl nahe am Heulkrampf, eine Erklärung abzugeben. „Beschissen“, flüsterte sie als Antwort auf die erste Frage nach ihrem Gemütszustand. „Es tut mir so leid, in all diese traurigen Gesichter sehen zu müssen. Ich habe eine riesengroße Chance vergeben.“

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In der Funktion der Führungsspielerin übernahm sie volle Verantwortung. Vergangenen Freitag hatte die frankophil geprägte Bundesliga-Torschützenkönigin in der frankophonen Großstadt noch geträllert: „Das Rezept ist: Ball hinlegen, Tor machen. Kopf aus und rein.“ Was damals so unendlich klang, war diesmal so unglaublich schwierig.

Mehrfach musste sie nun schlucken. Und zwischendrin schluchzte sie immer wieder. Hat sie das Gezappel von US-Torhüterin Hope Solo, die vor der Ausführung partout nicht auf die Torlinie wollte, vielleicht irritiert? „Nein, davon darf ich mich nicht beeinflussen lassen.“ Niemals hat man die 27-Jährige so untröstlich gesehen wie in den Sequenzen nach einer Partie, die an der Angreiferin im Grunde komplett vorbeilief. Der Fehlschuss war nur die Krönung.

Die ersten Aufmunterungen von Bundestrainerin Silvia Neid nahm die 110-fache Nationalstürmerin (63 Tore) nach Spielende nicht mal ansatzweise wahr. Und es war ein Bild des Jammers, wie die Nummer 13 mit ihrem gesenkten Lockenkopf allein in die Kabine trottete, vorbei am tanzenden WM-Maskottchen und den feiernden US-Amerikanerinnen. Alle anderen aus der deutschen Delegation blieben noch. Für sie war es nicht zu ertragen.

„Wir bauen Celia wieder auf. Wegen ihrer Elfmeter sind wir überhaupt so weit gekommen“, meinte Silvia Neid. „Im Sport gibt es Hochs und Tiefs. Bis Samstag hat sie das wieder verdaut.“ Wirklich? Vor allem ihr Ehemann Marko Sasic, der daheim in Koblenz auf gepackten Koffern saß, wenn es mit dem Finale in Vancouver etwas geworden wäre, wird nun aus der Ferne Aufbauarbeit leisten müssen.

Oder ihr Berater Dominik Kaesberg, mehr Kumpel als Agent, der angeblich auch noch nicht weiß, was nach der WM passiert. Es ist eine skurrile Randgeschichte, dass just an dem Tag, als ihr Fauxpas ein tragisches Kapitel deutsche Frauenfußball-Geschichte schrieb, ganz offiziell beim 1. FFC Frankfurt ihr Kontrakt endete, weil sie ihn selbst bereits im Frühjahr gekündigt hatte. Vielleicht, um nach Vorbild ihrer Freundin Lira Alushi die Familienplanung voranzutreiben?

Bislang hatte die Frohnatur in Kanada jede Spekulationen über ihre Zukunft eilfertig weggelächelt, doch irgendwann muss eine Entscheidung her. Siegfried Dietrich und Colin Bell, Manager und Trainer des 1. FFC Frankfurt, machen sich unverändert Hoffnungen, sie zumindest ein Jahr zum Bleiben in der Bankenstadt bewegen zu können. „Unser Verhältnis ist so gut, dass sie mir längst gesagt hätte, wenn sie nicht mehr weiterspielen wollte“, sagt Bell, der das Melodram auf der Tribüne miterlebte.

Und eine positive Botschaft brachte der Tag danach ja für die Großfamilie schon: Milan Sasic, der seine Schwiegertochter ins Herz geschlossen hat, wurde beim Regionalligisten 1. FC Saarbrücken als Leiter der Lizenzspielerabteilung vorgestellt. Das Fußball-Leben geht also weiter.