Berlins Olympia-Planer setzen auf Nachhaltigkeit

Berlin (dpa) - Bescheidenheit und Nachhaltigkeit statt Größenwahn, Bürgerbeteiligung statt Arroganz: Berlin scheint aus dem Desaster der Olympia-Bewerbung von 1993 gelernt zu haben.

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Damals blamierte sich die deutsche Hauptstadt in Monte Carlo beim IOC-Votum über den Gastgeber der Olympischen Spiele 2000. Mit nur neun Stimmen schied die deutsche Metropole vorzeitig aus, Sydney machte das Rennen.

Diesmal soll alles anders werden. Pünktlich zum 31. August hat Berlin den Fragenkatalog des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) beantwortet. Mit seinem Anti-Gigantismus-Konzept hofft Berlin, den geplanten Reformen des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) zu entsprechen. Die 3,5 Millionen-Stadt legt neben Sparsamkeit vor allem Wert auf Bürgernähe. Obwohl man in der Senatskanzlei offizielle Angaben vermeidet, schätzen Experten angesichts des vorgelegten Sportstättenkonzepts die Gesamtkosten auf zwei Milliarden Euro.

Dabei will die Hauptstadt vor allem die bestehende Infrastruktur nutzen. Alle vorhandenen Arenen sollen für die Spiele nur saniert und gegebenenfalls vergrößert, zusätzlich benötigte Sportstätten nur temporär errichtet werden. „Wir haben schon alles das, was Hamburg noch schaffen muss“, hieß es daher aus der Senatskanzlei. Willi Lemke, Sonderberater des UN-Generalsekretärs für Sport, sieht es ähnlich: „Wenn Berlin zusammensteht, hat Hamburg keine Chance.“

Interessant wird sein, wie sich der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) nach seinem für den 11. Dezember angekündigten Rücktritt in die Bewerbungspläne einbringt. Sein Engagement für Olympia in der Stadt sei ungebrochen und er auch nach dem Rücktritt als Stadtoberhaupt weiter bereit, sich dafür zu engagieren, erklärte Wowereit. „Olympia ist eine Zukunftsfrage für die Stadt“, verkündete er. Tatsächlich könnte sein Schritt aber auch ein Vakuum an der Spitze des Senats hinterlassen und damit die Berliner Olympia-Ambitionen eher schwächen.

Ob es überhaupt zu einer deutschen Bewerbung für 2024 und 2028 kommt, will der DOSB am 6. Dezember entscheiden. Bei einer Kandidatur für die Spiele 2024 wäre Eile geboten. Bis Herbst 2015 muss die Bewerbung beim IOC eingereicht werden, das 2017 über den Gastgeber entscheidet. Dann käme auch der vom DOSB benannte deutsche Kandidat unter Zeitdruck - eine Bürgerbefragung und eine breite Zustimmung der Bevölkerung gelten als unabdingbar für den Erfolg der Konzepte in Berlin wie Hamburg.

Für Sportsenator Frank Henkel (CDU) ist noch offen, in welcher Form die Bürger einbezogen werden könnten. „Ich bin überzeugt, dass wir eine kluge Lösung hinbekommen“, sagte er. Der Startschuss für den Beteiligungsprozess ist für Anfang Dezember vorgesehen, falls Berlin den Zuschlag vom DOSB erhält. „Tatsache ist, dass eine deutsche Bewerbung, die dann von einer großen Mehrheit der Bevölkerung getragen wird, sicherlich eine sehr, sehr starke Bewerbung wäre“, hatte IOC-Präsident Thomas Bach unlängst erklärt.

Derzeit sind die Bürger Berlins noch gespalten. Nur eine knappe Mehrheit von 52 Prozent begrüßt laut einer Forsa-Umfrage das Projekt, 46 Prozent der 1003 Befragten äußerten sich ablehnend. Die Umfragezahlen verliehen den Gegnern im längst formierten Bündnis „NOlympia“ Rückenwind. „Wir wollen zeigen, wer eigentlich an Olympia verdient“, erklärte Judith Demba von den Naturfreunden Berlin zu Aktionen des Bündnisses. Sie hatte schon vor gut 20 Jahren die Bewerbung der Hauptstadt um die Spiele 2000 bekämpft. Für 50 Millionen Euro, die allein die Bewerbung koste, könne man wichtigere Dinge für die Berliner Bürger in Gang bringen.

Nach Einschätzung des früheren Wirtschaftssenators Harald Wolf (Linke) würden die Spiele viel teurer werden als vom Senat angegeben. „Die Erfahrung zeigt, dass die austragende Stadt letztlich ein Minus macht und die vorher kalkulierten Kosten deutlich überschritten werden“, sagte Wolf der dpa. Auch der Bund der Steuerzahler (BdS) erinnerte an die Verschwendung öffentlicher Gelder bei der Bewerbung vor 21 Jahren. Das Abgeordnetenhaus sei damals von Kosten in Höhe von 51 Millionen D-Mark ausgegangen, der BdS hatte 89 Millionen D-Mark errechnet.

Bei ihrem neuen Anlauf setzen Berlins Olympia-Planer auf ein Konzept von größtmöglicher Nachhaltigkeit. In der Hauptstadt soll neben dem Olympia-Gelände das Sportforum Hohenschönhausen als zweites Zentrum dienen. Segeln in Warnemünde, Dressurreiten vor dem Neuen Palais im Potsdamer Schloss Sanssouci, Kanu und Rudern in Brandenburg/Havel und Fußballspiele in Dresden, Magdeburg oder Cottbus gehören ebenfalls zum Berliner Vorhaben. Das Areal des dann geschlossenen Flughafens Tegel könnte das olympische Dorf beherbergen. Es soll Platz für 17 500 Athleten und Betreuer bieten. Diese Quartiere in der „Smart Olympic City“ sollen nach den Spielen in 4000 bis 5000 Wohnungen für die Berliner umgewandelt werden.

Berlin nimmt zum fünften Mal Anlauf für eine Bewerbung um die Ausrichtung Olympischer Spiele.

- Beim Kampf um die Spiele 1908 hatte Konkurrent Rom zunächst mehr Unterstützer - Berlin zog noch vor der IOC-Entscheidung seine Bewerbung zurück. Da die Römer aber in der Vorbereitung scheiterten, fanden die Spiele in London statt.

- Im Rennen um die Spiele 1912 versuchte es Berlin erneut, war aber gegen Stockholm chancenlos. Noch vor dem IOC-Votum zog die Stadt ihre Interessensbekundung zurück.

- 1936 war die Bewerbung erfolgreich. Berlin setzte sich gegen zwölf Konkurrenten durch, darunter die deutschen Mitbewerber Nürnberg, Frankfurt/Main und Köln.

- Bei der Vergabe der Spiele 2000 scheiterte die Kandidatur Berlins kläglich und erhielt nur neun von 88 Stimmen der IOC-Mitglieder. Sydney richtete die ersten Spiele des neuen Jahrtausends aus.

- 2024 oder 2028: Der Senat beschließt, an der Interessensbekundung um eine Bewerbung teilzunehmen und beantwortet den Fragenkatalog des Deutschen Olympischen Sportbundes DOSB.

* Berlin bewarb sich - neben fünf anderen Städten - zudem um das olympische Reitturnier 1956, das wegen der Quarantäne-Vorschriften nicht in Melbourne ausgetragen werden konnte. Den Zuschlag erhielt Stockholm.