Biedermann nicht mehr Supermann - Agnel vorn

London (dpa) - Bei der letzten Wende lag Paul Biedermann noch gut im Rennen, dann blieb die krönende Aufholjagd aus.

Wie bereits bei den 400 Metern Freistil konnte der Weltrekordler über seine halb so lange Spezialstrecke am Ende nichts mehr zusetzen und schlug im olympischen Finale als Fünfter an - so wie in Peking vor vier Jahren. „Ich bin nicht zufrieden, die Zeit ist zu langsam“, sagte Biedermann nach 1:45,53 Minuten im Becken des Aquatics Centres von London und lobte den Sieger: „Vor Yannick Agnel muss ich den Hut ziehen.“

Noch im Wasser gratulierte der Weltrekordler dem Olympiasieger, der bereits am Vorabend die französische Freistilstaffel über 4 x 100 Meter als Schlussschwimmer zu Gold geführt hatte. Der Weltjahresbeste schwamm in 1:43,14 Minuten weit voraus und durfte sich auch über die Gratulation von Staatspräsident Francois Hollande freuen.

„Ein Kindheitstraum ist wahr geworden. Ich wusste, ich bin der Schnellste“, sagte Agnel. Hinter ihm schlugen der Chinese Sun Yang und 400-Meter-Weltmeister Park Tae-Hwan aus Südkorea nach 1:44,83 Minuten zeitgleich an. Für 200-Meter-Weltmeister Ryan Lochte (USA) blieb nur Platz vier.

Fragen nach seinem Gesundheitszustand schien Biedermann nicht gern zu hören, sagte aber: „Wenn man in so einem Rennen nicht so hundert Prozent fit ist, wird man schnell mal Fünfter.“ Heimtrainer Frank Embacher gab dann eine „Blockierung“ seines Schülers preis, die aber behoben worden sei.

Britta Steffen schien mit der Hand auf dem Mund auf der Sportlertribüne zu ahnen, dass Freund Paul auf den letzten 50 Metern die sechs fehlenden Zehntel zu einer Medaille nicht mehr aufholen würde. Anders als bei WM-Bronze im Vorjahr blieb die Steigerung aus. „Paul ist nicht wie 2009 als Supermann angetreten“, bemerkte Trainer Embacher.

Jubeln durfte Missy Franklin (USA) nach dem Sieg über 100 Meter Rücken in 58,33 Sekunden. Bei den Männern siegte Matthew Grevers (USA) mit olympischem Rekord von 52,16. Helge Meeuw (Madgeburg) belegte in 53,48 Sekunden den guten sechsten Platz. „Das war ein wunderschönes Finale, ich habe es tatsächlich genossen und mich so teuer wie möglich verkauft“, erklärte Meeuw.

Für neue Diskussionen dürfte die Olympiasiegerin über 100 Meter Brust sorgen. Die erst 15 Jahre alte Ruta Meilutyte holte die erste Schwimm-Medaille für ihr Land. Die vorher nicht groß in Erscheinung getretene einzige Athletin des Landes aus dem Baltikum siegte in 1:05,47 Minuten. Zweite wurde die Amerikanerin Rebecca Soni, die Weltmeisterin und Olympiasiegerin über die doppelte Distanz, mit einem Rückstand von acht Hundertstel.

Biedermann verpasste die erste deutsche Olympia-Medaille über 200 Meter Freistil seit 1984. Bei den Spielen in Los Angeles hatten Michael Groß Gold und Thomas Fahrner Bronze geholt. Aber nach dem enttäuschenden Vorlauf-Aus über 400 Meter Freistil meldete er sich immerhin respektabel zurück. Eigentlich wollte der Athlet aus Halle/Saale in London besser als vor vier Jahren abschneiden.

Drei turbulente Olympia-Tage mit zwei Einzelwettbewerben enden damit für den Doppel-Weltmeister von 2009 versöhnlich. Die Staffel über 4 x 200 Meter Freistil an diesem Dienstag steht noch aus. Und dort wird ein starker Startschwimmer Biedermann gebraucht: „Da sind drei Jungs, die auf mich zählen.“

Auch wenn es nicht ganz zu einer Medaille reichte - Biedermann zeigte in London Comeback-Qualitäten. „Sich nach einer persönlichen Niederlage einen Tag später wieder so zu präsentieren, ist erstmal eine sehr große Stärke“, lobte Leistungssportdirektor Lutz Buschkow. Biedermann habe sich nach dem Vorlauf-Aus über 400 Meter mit dem Finaleinzug über 200 Meter „super gefangen“.

Dass Biedermann überhaupt wieder in das Endlauf-Geschehen eingreifen konnte, hatte er laut DSV-Verantwortlichen auch ein Stück weit Trainer-Sohn Toni Embacher zu verdanken. Denn der 24-Jährige hatte vor dem TV etwas am Bewegungsablauf bei Biedermanns Beinschlag bemerkt. „Paul hat erst einmal nicht daran geglaubt, dass man das an so einer Kleinigkeit festmachen kann“, schilderte Embacher senior. „Danke an meinen Sohn, der das gesehen hat.“

Staffel-Europameisterin Silke Lippok musste die Hoffnung auf eine Final-Teilnahme über 200 Meter Freistil abhaken. 1:58,24 Minuten bedeuteten Rang 13 und waren zu langsam für den Endlauf am Dienstag. Auch Theresa Michalak verpasste das Finale über 200 Meter Lagen.